Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in Vaterstetten:Neue Ideen und alte Probleme

Bei der VHS diskutieren Vaterstettens Bürgermeisterkandidaten mit Senioren über die Herausforderungen der Zukunft

Von Katharina Güntter, Vaterstetten

"Die Generation Eigensinn, das sind wir. Und wir möchten mitgestalten, Verantwortung übernehmen, haben eigene Ideen, möchten in der Politik gehört werden und gefragt werden." Mit diesem Satz fasste Seniorenbeirätin Herma Bianca Schlömer den Kerngedanken der Podiumsdiskussion zusammen. Vier Bürgermeisterkandidaten und eine -kandidatin präsentierten sich am Samstag auf Einladung des Seniorenbeirats im Konzertsaal der Musikschule Vaterstetten im Gebäude der VHS. Bis auf den letzten Zentimeter war der Raum mit überwiegend Senioren gefüllt. Wer keinen Platz mehr fand, konnte die Diskussion in anderen Räumen der VHS oder zu Hause auf dem Bildschirm per Liveübertragung mitverfolgen.

Unter der Moderation von Gerhard Wolf, Vorstand des Zornedinger Fördervereins, stellten die Anwesenden Fragen an Leonhard Spitzauer (CSU), Maria Wirnitzer (SPD), David Göhler (Grüne), Klaus Willenberg (FDP) und Roland Meier (Freie Wähler). Wolf achtete mit einer Sanduhr auf die Länge der Beiträge, damit am Ende so viele Fragen wie möglich beantwortet werden konnten.

Als einzige Frau für den Bürgermeisterposten kandidiert Maria Wirnitzer. Die Landschaftsarchitektin zeigte klar ihre Ziele, mehr Wohnraum und Barrierefreiheit zu schaffen und unterstützte die Idee eines Seniorenbeauftragten im Gemeinderat, um die Wünsche und Pläne besser kommunizieren zu können. Als Gemeinderätin erkenne sie aber auch, so die SPD-Fraktionsvorsitzende, die Schwierigkeiten beim Wohnungsbau. Im Nachhinein Gebäude aufzustocken sei oft schwer, da die Baupläne oft schwer geändert werden können. Neben der Wohnungsbeschaffung liegt Wirnitzer die Erhaltung des Gartencharakters sehr am Herzen.

Auch Leonard Spitzauer, der ebenfalls im Gemeinderat sitzt, ist der Meinung, die Kommunikation zwischen Gemeinde und Senioren müsse stärker werden, zum Beispiel indem der Seniorenbeirat zweimal im Jahr im Gemeinderat seine Probleme vorstellt. Der 34-Jährige wuchs auf dem Hof seiner Eltern nahe Parsdorf auf und ist seit er 14 Jahre alt ist in bei der Freiwilligen Feuerwehr Parsdorf/Hergolding tätig, inzwischen als Kommandant. Spitzauer unterstützt beim Wohnungsbau den Ansatz "Qualität statt Quantität": "Die Gemeinde braucht die Wohnungen selber im Bestand, um dann entscheiden zu können, welche Personengruppe diese Wohnungen bekommt." Außerdem sei er sich des Dilemmas bewusst, dass durch mehr Zuzug auch der Verkehr dichter und mehr Kinderbetreuung benötigt wird.

Neue Ideen brachte der FDPler Klaus Willenberg. Der 66-Jährige sieht "ein großes Defizit in Führung und Management an oberster Stelle im Rathaus" und ist der Meinung "wenn wir etwas ändern wollen, müssen wir es anders machen, neue Ideen zulassen und nicht von Anfang an sagen, geht nicht." Um mehr Wohnraum zu schaffen, könnten Menschen mit viel Platz untervermieten; in überfüllten Straßen könnte man Parkplätze ausweisen und somit den Verkehr entlasten und um weniger mobilen Menschen eine Chance zu geben, könnte man spezielle Parkplätze für Senioren auszeichnen. Vom Publikum erhielt er meist viel Zustimmung, für Gemurmel sorgte allerdings die Idee, in 30-Zonen die Gehsteige zu entfernen und den Verkehrsteilnehmern die gegenseitige Rücksichtnahme selbst zu überlassen.

Ehrenamtliches Engagement stellt auch für den Kandidaten der Grünen, David Göhler, einen wichtigen Punkt da. Geboren in Norddeutschland schlug Göhler eine Verlagskarriere ein war unter anderem Chefredakteur des PC Magazins. Seit zehn Jahren ist er Car-Sharer in Vaterstetten und möchte sich als Bürgermeister dafür einsetzen, dass ein besseres Verkehrsregelungssystem gefunden wird und nicht mehr die Autos, sondern die Radfahrer und Fußgänger Vorrang haben. Auch er befürwortet die Bauverdichtung und größere Gebäudehöhen im Ortskern.

Roland Meier wurde von den Freien Wählern als Bürgermeisterkandidat aufgestellt. Der 53-Jährige wuchs in Baldham auf, war eine Zeitlang Instrumentenbauer und im Einzelhandelsgeschäft seiner Eltern tätig. Aktuell arbeitet er bei der Raiffeisenbank Zorneding und ist dort auch Betriebsrat. Ihm und den Freien Wählern sei die Kommunikation mit den Senioren sehr wichtig, weshalb auch immer ein Seniorenbeauftragter auf die Liste gesetzt werde, "der dann hoffentlich in den Gemeinderat gewählt wird". Ideen trug er zur Diskussion weniger bei, er zeigte die Probleme der Gemeinde auf: dass sich Bauherren oft nicht an die Pläne und die Verkehrsteilnehmer oft nicht an die Straßenverkehrsordnung hielten, sowie viel zu viel über Sachen aus der Vergangenheit diskutiert werde, wo die Kandidatinnen und Kandidaten doch für die Zukunft zuständig stehen, wofür er oft Applaus erntete. Auch mit seiner Vorstellung "Ich bin der Roland und ich bin gern daheim" sammelte er einige Sympathiepunkte. Für die Verkehrsentlastung befürwortete er eine Einbahnregelung und die Idee des Mitfahrbankerls. Seiner Meinung nach liege das Problem oft bei der fehlenden Kommunikation zwischen den Agierenden.

Ein klarer Favorit oder ein Favoritin ließ sich an diesem Nachmittag nicht erkennen. Teilten einige der Anwesenden die Meinung des Redenden, vernahm man gleichzeitig auch abwertende Kommentare aus den Reihen. Ganz einig war man sich auch auf dem Podium nicht: Der Moderator musste ein paar Mal sein Mikro in die Hand nehmen, bevor eine hitzige Debatte zwischen den Kandidaten entstand. Wer die Podiumsdiskussion noch einmal mitverfolgen möchte, findet die Aufzeichnung auf der Youtube-Seite der VHS Vaterstetten.

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Quelle:
SZ vom 27.01.2020
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