Kommunalwahl in Ebersberg:So viel Auswahl war noch nie

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Noch nie durften so viele Bürger über die Zukunft des Landkreises abstimmen wie bei dieser Kommunalwahl. Auch gab es noch nie so viele Kandidaten. Dabei beherrscht nur eine Frage den Wahlkampf. Ein interaktiver Überblick.

Von Wieland Bögel

Drinnen oder Draußen? Das ist die Frage aller Fragen im Landkreis Ebersberg, denn dessen Bevölkerung zerfällt in zwei Gruppen, die Drinnerholzer und die Draußerholzer. Gemeint sind die Bewohner der Ortschaften südlich und nördlich vom Holz, also vom Ebersberger Forst, der zwar keine Gemeinde, aber doch das eigentliche Zentrum des Landkreises ist. Und auch wenn dessen zahlreichen Bewohnern, Wildschweinen, Rehen und Hasen die Teilnahme an der Kommunalwahl naturgemäß verwehrt bleibt, können heuer so viele Wähler über den zukünftigen Kurs des Landkreises abstimmen, wie noch nie.

Ganze 102 300 Bürger, Drinner- und Draußerholzer gleichermaßen, dürfen am 16. März ihre Stimme abgeben. Ebenfalls groß wie nie ist die Zahl der zur Kreistagswahl antretenden Parteien. Neben den bereits im Gremium Vertretenen, also CSU, SPD, Grüne, Freie Wähler, FDP und ÖDP, werben heuer auch die Bayernpartei und die Alternative für Deutschland (AfD) um die Gunst der Wähler.

Dass die Einteilung in Drinner- und Draußerholzer mehr ist als alte Folklore, hat die Landratswahl 2013 gezeigt. Seinen hauchdünnen Sieg verdankt der neue Landrat Robert Niedergesäß (CSU) den Draußerholzern, die Drinnerholzer hatten überwiegend für den SPD-Kandidaten Ernst Böhm votiert. Darin zeigte sich ein gewisses Unbehagen im Süden, denn außer dem EBE auf den Nummernschildern haben die Kommunen dies- und jenseits des Forstes wenig Gemeinsamkeiten. So ist der Süden eher landwirtschaftlich geprägt und die meisten Gemeinden in der malerischen Endmoränenlandschaft sind verhältnismäßig dünn besiedelt. Ganz im Gegensatz zu den Wachstumsgemeinden im Norden und Westen des Landkreises.

Vaterstetten - Niedergesäß' Heimatort - ist mit 23 000 Einwohnern die größte, Poing mit noch 14 000 die am schnellsten wachsende und Markt Schwaben die am dichtesten bebaute Kommune des Landkreises. Niedergesäß wurde weitgehend als Vertreter der vorstädtischen Gemeinden wahrgenommen, deren Entwicklung man nicht nur in den ländlichen Kommunen, sondern auch in den beiden Städten, Grafing und Ebersberg, mit einiger Skepsis betrachtet. Dass dies den Ausschlag dafür gab, dass die traditionell konservativen Drinnerholzer beinahe einen SPDler zum Landrat machten, zeigt, wie Sachpolitik die in der Vergangenheit sicheren Mehrheiten der CSU gefährden kann.

Bei den Parteien, allen voran der CSU, die seit der Wahl vor sechs Jahren zwar nicht mehr die absolute, mit 27 von 60 Sitzen aber doch noch eine komfortable Mehrheit im Kreistag hält, hat man das erkannt. Deshalb haben sich die Christsozialen für ein besonders weit gefasstes Wahlprogramm entschieden. Die "Landkreisplan" genannte Agenda fordert noch bessere Bildungsmöglichkeiten, nachhaltige Entwicklung für den Erhalt der Lebensqualität und solide Finanzen, altersgerechte und bezahlbare Wohnungen, verbesserte Infrastruktur und natürlich eine Fortsetzung der Energiewende. Also alles Anliegen, denen eigentlich niemand widersprechen kann. Deshalb vermeidet es die CSU auch, zu sehr ins Detail zu gehen: Wie man die genannten Ziele umsetzt, soll erst nach der Wahl auf Grundlage noch zu erhebender Daten und Gutachten entschieden werden.

Sehr ähnlich, wenn auch teilweise ein klein wenig konkreter ist das Wahlprogramm der politischen Konkurrenz. Die zweitgrößte Kreistagsfraktion, die SPD, fordert ebenfalls bezahlbaren Wohnraum und bessere Infrastruktur, und liefert hierzu einige Ideen, wie das gelingen soll: Etwa durch mehr genossenschaftliche Bauprojekte, mehr Busse und einen 10-Minuten-Takt auf allen S-Bahnlinien. Auch die Grünen wollen sich für günstige Wohnungen einsetzen, wie die SPD setzt auch die Ökopartei auf mehr Genossenschaften. Natürlich darf ein Bekenntnis zur Energiewende nicht fehlen, hier sollen ebenfalls Genossenschaften zum Zuge kommen.

Viel Konkurrenz für die Ökopartei

Auch ein anderes ur-grünes Thema findet sich im Wahlprogramm, die Forderung nach weniger Flächenverbrauch. Doch gerade hier bekommt die Ökopartei gleich mehrfach Konkurrenz. Sowohl Freie Wähler und ÖPD, als auch die beiden Neulinge Bayernpartei und AfD, haben die Wachstumskritik in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Wie man einen schonenden Umgang mit den Flächen erreichen und in Einklang mit dem wohl nicht zu stoppenden Bevölkerungszuwachs bringen will, bleibt aber vage.

Spannender wird der Wahlkampf dagegen in den Kommunen, etwa in Emmering. Hier hatte die CSU ihren Bürgermeister Max Maier nicht erneut nominiert, der prompt eine eigene Liste ins Leben gerufen hat (siehe Grafik). Auch ohne Rosenkrieg ehemaliger Parteifreunde ist Spannung garantiert. Denn in sechs Kommunen wird es auf jeden Fall einen Wechsel im Rathaus geben, da die amtierenden Bürgermeister nicht erneut antreten. Besonders interessant verspricht die Bürgermeisterwahl in Glonn und in Grafing zu werden, denn dort geht eine Ära zu Ende. Ganze 18 Jahre lang lenkten Marin Esterl und Rudolf Heiler die Geschicke ihrer Kommunen. Wen die Bürger zu deren Nachfolger oder Nachfolgerin bestimmen, ist völlig offen.

Aber auch wo keine Bürgermeisterwahlen anstehen, kommt keine Langeweile auf. Etwa in Vaterstetten, wo die örtliche CSU bislang mit Zweidrittelmehrheit den Gemeinderat dominiert. Doch im Oktober ging die vorgezogene Bürgermeisterwahl für die Christsozialen verloren. Seitdem ist Georg Reitsberger von den Freien Wählern Chef im Rathaus. Nun geht es für die CSU darum, dass auf eine Niederlage nicht die nächste folgt und man wenigstens die Mehrheit im Gemeinderat behalten kann. Auch in Aßling hat die CSU zu kämpfen, hier hat sie im Herbst eine Wahl verloren.

Nach dem Tod des beliebten CSU-Bürgermeisters Werner Lampl wählten die Aßlinger den von SPD, Grünen und Freien Wählern unterstützten Hans Fent zu seinem Nachfolger. Fents Parteienbündnis ist derzeit so etwas wie die Opposition in Aßling, sie stellen zusammen nur sechs der 16 Gemeinderäte. Zwar haben auch die Christsozialen mit sechs Stimmen keine eigene Mehrheit, konnten sich aber meist auf die vier Stimmen der Unabhängigen Neuen Liste des Stellvertretenden Bürgermeisters Ernst Sporer-Fischbacher verlassen.

Ebenfalls interessant wird, wie spannend die Wahlen für die Wähler sind. Denn bei Themen, die den Landkreis betreffen, herrscht gelegentlich ein gewisses Desinteresse. Bei der Landratswahl fanden gerade einmal 40 Prozent der Bürger den Weg an die Urne - übrigens egal ob ihr Wahllokal inner- oder außerhalb des Holzes lag.

© SZ vom 01.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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