Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in Ebersberg:Lesebrillen fürs Kreuzchen

Damit alle Bürger barrierefrei wählen können, lassen sich manche Gemeinden im Landkreis ganz pragmatische Lösungen einfallen

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Überdimensionale Zettel, winzige Schriftgrößen, enge Kabinen - nicht nur für Menschen mit Seh- oder Geheinschränkung kann das Wählen zur logistischen Herausforderung werden. Abhilfe sollen hier Vorgaben für barrierefreie Wahlen schaffen. Diese, so Erik Ipsen von der Stadt Ebersberg, werden vom Freistaat Bayern festgesetzt. Ob die jeweiligen Wahllokale barrierefrei sind oder nicht, sei schon auf der Wahlbenachrichtigung vermerkt.

"Die Wähler können aber auch Briefwahl beantragen und von zu Hause aus wählen", so Ipsen. Sowohl bei der Briefwahl als auch vor Ort im Wahllokal können Wähler sich aber auch von einer Person ihres Vertrauens helfen lassen, die sie selbst aussuchen können. "Das kann zum Beispiel ein Mitglied des Wahlvorstands oder ein Familienangehöriger sein", erklärt Ipsen. Die Hilfeleistung habe sich auf die Wünsche der stimmberechtigten Person zu beschränken, betont er. Die Hilfsperson darf gemeinsam mit der stimmberechtigten Person die Wahlkabine betreten, soweit das erforderlich ist. Außerdem muss die helfende Person die Wahl geheim halten. In Ebersberg seien die Zugänge zu allen Wahllokalen barrierefrei, so Ipsen.

Barrierefreiheit müsse aber von mehreren Seiten her gedacht werden, sagt Kreiswahlleiter Andreas Wenzel. So könne man zum Beispiel leicht Schwierigkeiten beim Lesen bekommen, wenn man etwa den Stimmzettel für den Kreistag ausfüllen will. "Ein Meter auf 70 Zentimeter, über 420 Kandidaten - und das Ganze in Schriftgröße 10", sagt Wenzel, "sonst hätte nicht alles drauf gepasst." Diesen Zettel zu entziffern, stelle für viele Wähler ein Riesenproblem dar. In der Vergangenheit musste in Notfällen auch schon manchmal der Wahlvorstand seine eigene Lesebrille verleihen. Wenzel sagt, er wisse von einigen Gemeinden, zum Beispiel Ebersberg, die deswegen bei Wahlen schon seit Längerem Lesebrillen bereit stellen.

In einigen Gemeindeteilen sind jedoch auch dieses Jahr einzelne Wahllokale nicht für alle zugänglich. "Öffentliche Neubauten müssen barrierefrei sein", erklärt Wenzel. "Aber manchmal hat die Gemeinde keine anderen Räume zur Verfügung und muss zum Beispiel auf historische Gebäude zurückgreifen." Was aber tun, wenn das eigene Wahllokal nun nicht barrierefrei erreicht werden kann? "Der einfachste Weg ist hier die Briefwahl, die unter anderem genau für solche Fälle gedacht ist", sagt auch Wenzel. Eine andere Möglichkeit sei, die Briefwahl zu beantragen und mit dem Wahlschein, der dann ebenfalls mit den Unterlagen geliefert wird, am Tag der Wahl ein anderes Wahllokal aufzusuchen. Dieses Wahllokal muss allerdings im selben Stadt- oder Gemeindegebiet liegen.

Diese Möglichkeiten müssen zum Beispiel Menschen mit Behinderung aus Emmering oder aus den Grafinger Ortsteilen Straußdorf und Grafing Bahnhof in Erwägung ziehen. "Die Wahllokale der Außenbezirke Straußdorf und Grafing Bahnhof sind jeweils im ersten Stock untergebracht", sagt Leonhard Kogler von der Stadt Grafing. Vor Ort gebe es keine anderen Räumlichkeiten, so Kogler; man wolle jedoch weiterhin gewährleisten, dass auch die Menschen aus den Außenbezirken die Möglichkeit haben, ein Wahllokal in Wohnortnähe aufzusuchen.

In den Gemeinden Aßling und Frauenneuharting seien alle Wahllokale barrierefrei, so Johanna Ströbele von der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Aßling. Außerdem liege ein Wahlhilfe-Heft auch in einfacher Sprache in der Geschäftsstelle der VG Aßling, in den Kanzleien in den Gemeinden Emmering und Frauenneuharting und in den Wahllokalen aus.

Ebenso sieht es in Glonn aus, wie Alois Huber von der Verwaltungsgemeinschaft Glonn erläutert: Alle Wahllokale liegen hier im Erdgeschoss der Mittelschule und seien barrierefrei erreichbar. "Sämtliche Wahlkabinen sind bezüglich Größe und Erreichbarkeit rollstuhlgerecht", so Huber. Außerdem liege das Wahlhilfe-Heft im Rathaus aus.

Auch in der Gemeinde Kirchseeon seien nicht nur alle Wahllokale barrierefrei erreichbar, so die Behindertenbeauftragte Natalie Katholing: "Diesmal werden alle Wahllokale mit einem extra Schreibtisch mit Sichtschutz ausgestattet für körperlich eingeschränkte Personen." Diese neue Vorrichtung sorge für mehr Platz, und so könnten Menschen beispielsweise mit Gehwagen sich darauf setzen, wenn sie die Stimmzettel ausfüllen. Außerdem liegen im Kirchseeoner Rathaus zwei verschiedene Broschüren aus, in welcher die Wahl erklärt wird. "Für blinde Personen wird es keine extra gelochten Wahlzettel geben", so Katholing. "Dieser Personenkreis wird auch in Anbetracht der sehr großen Wahlzettel die Briefwahl nutzen."

Die ersten Wahlbenachrichtigungen im Landkreis sind schon verschickt worden, in den kommenden Tagen werden dann auch alle anderen Gemeinden nachziehen. Wer also, aus welchem Grund auch immer, Briefwahl beantragen will, kann das schon bald tun.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4806225
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.02.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.