Kommentar:Zusteigen bitte

Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, wie ihn der Ebersberger Landrat nun ins Gespräch gebracht hat, muss her. Nicht exzessiv, aber so, dass Bedarf und Aufwand im richtigen Verhältnis stehen.

Von Wieland Bögel

Gibt es ein Leben vor dem Führerschein? So manche, die jenseits des S- und U-Bahnbereiches aufwachsen, würden sicher verneinen. Mindestens der Mofaschein muss schon her, sonst ist der Aktionsradius arg begrenzt. Die wenigen Busse bringen vielleicht Pendler in die Arbeit und die Kinder in ihre Schulen. Abends und an den Wochenenden sieht es dagegen mau aus. Was zunehmend von einem Ärgernis für wenige zu einem echten Problem für viele wird.

Denn das Land wird immer weniger ländlich, statt ein paar verstreuter Höfe prägen immer mehr Neubaugebiete das Bild. Werden nun aber auch die weniger erschlossenen Gegenden dichter besiedelt, wird es auch auf den Straßen dichter. Schließlich kann deren Zahl schon aus Platzgründen nicht mit der Zahl der Einwohner mitwachsen. Die vielleicht selbst gar keine Lust - aber halt oft auch keine andere Wahl - haben, jeden Tag im Auto durch die Landschaft zu schaukeln.

Wobei jene, die sich täglich durch den Stau quälen können, noch Glück haben. Richtig abgehängt ist, wer gar nicht auf den Individualverkehr zugreifen kann. Etwa Leute, die vor den hohen Preisen der Großstadt aufs Land flüchten, wo es vielleicht für eine Bleibe, aber nicht für das dafür notwendige Auto reicht. Oder Senioren, die zwar kein Fahrzeug mehr lenken, aber trotzdem nicht den ganzen Tag nur aus dem Fenster oder in den Fernseher starren wollen. Oder einfach alle, die beim Essengehen auch das eine oder andere Glas Wein trinken wollen, ohne auf dem Heimweg unter Umständen mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen.

All dies sind gute Gründe für einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, wie ihn der Ebersberger Landrat nun ins Gespräch gebracht hat. Dass nun aber bald an jedem Weiler alle Viertelstunde ein Expressbus zum Ostbahnhof losfährt, ist nicht zu erwarten - und auch nicht sinnvoll. Wichtig ist, dass Bedarf und Aufwand im richtigen Verhältnis stehen. Dies zeigt das Beispiel des Nachtexpress - einer Buslinie für den sicheren Heimweg von feuchtfröhlichen Veranstaltungen - der vor drei Jahren mangels Nachfrage eingestellt wurde. Wie man die neuen Verbindungen gestalten will, dass nicht erneut nach ein paar Jahren Endstation ist, wird einiges an Arbeit erfordern und wohl auch einige Kompromisse. Trotzdem ist die Idee einen Versuch wert, damit auf dem Land der Eintritt ins gesellschaftliche Leben künftig vielleicht auch mit einer MVV-Monatskarte möglich ist.

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