Kommentar:Zu viel Partei

Der Grafinger Landtagsabgeordnete Thomas Huber schiebt das S-Bahn-Chaos größtenteils der Kommunalpolitik in die Schuhe. Seinem Parteikollegen und Landrat Robert Niedergesäß tut er damit sicherlich keinen Gefallen.

Von Thorsten Rienth

Die Bahn hielt den Hinweis anscheinend für unnötig, dass es sich bei den geschlossenen Bahnübergängen in Grafing um eine Totalsperrung auch für Fußgänger handelt. Der Landrat will von der Problematik erst aus der Zeitung erfahren haben. Und das Grafinger Rathaus kam sogar bei einer Großbaustelle nicht auf die Idee, selbst ein bisschen zu den Konsequenzen zu recherchieren. Eine gute Figur machte also niemand der drei Hauptbeteiligten. Immerhin fiel die Grafinger Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) durch ernsthafte Lösungsorientiertheit auf, als sich das Chaos am Dienstag abzuzeichnen begann.

Als genaues Gegenteil präsentierte sich der CSU-Landtagsabgeordnete Thomas Huber. Hätte doch das Grafinger Rathaus nur anständig seine Arbeit gemacht, schimpfte er. Die Schuldfrage war für ihn geklärt, da versuchte sich der Rest noch einen halbwegs objektiven Eindruck von der verworrenen Lage zu verschaffen. Huber impliziert damit, dass die Grafinger Rathausmitarbeiter däumchendrehend am Schreibtisch herumlungern. Dabei hatten sie zu dieser Zeit längst alles in Bewegung gesetzt, was in Bewegung gesetzt werden konnte.

Dieses inzwischen bekannte Muster von Hubers Selbstmarketing müssen die Grafinger nicht sonderlich für voll nehmen. Die CSU sollte es dagegen schon. Denn mit seinem Eifer bringt Huber seinen Landrat, Parteikollegen und Freund Robert Niedergesäß in Bedrängnis: Je hartnäckiger Huber Bürgermeisterin Obermayr angreift, desto größer die Chance, dass auch Landrat und CSU ins Visier der Kritik gelangt.

Gut für die CSU, dass Landrat Niedergesäß die Souveränität besaß, sich auf Hubers parteipolitisches Manöver nicht herabzulassen. Stattdessen lud er die direkt Beteiligten - also Bahn, Baufirma und Grafinger Rathausvertreter - für den Freitag zur Krisensitzung ein. Das Ergebnis: Die Grafinger Bahnübergänge an Münchner Straße sowie Bahnhofs- und Jahnstraße sind für Fußgänger grundsätzlich wieder geöffnet. Unten sind die Fußgängerschranken nur dann, wenn an den Übergängen tatsächlich und unmittelbar gearbeitet wird.

Geht doch - wenn die Parteipolitik beiseite bleibt. Sie ist den Grafingern auch herzlich egal, solange sie sich wieder zu Fuß vom einen Stadtteil in den anderen bewegen können.

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