Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Zeit für eine klare Entscheidung

Der Flickschusterei in der Grafinger Stadthalle ist nun ein Riegel vorgeschoben. Man kann nur hoffen, dass nun nicht ein Stillstand wie bei der Rotter Straße 8 eintritt

Von Anja Blum

Zugesperrt. Dichtgemacht auf unbestimmte Zeit wegen gravierender Brandschutzmängel. Dieses Schicksal hat in Grafing vor zehn Jahren bereits das alte Schulhaus an der Rotter Straße 8 getroffen, einen ausgewiesenen Kulturraum im Zentrum der Stadt. Bis heute rottet das Gebäude größtenteils vor sich hin, weil im Stadtrat der Mumm für eine grundsätzliche Entscheidung fehlt: Sanieren, neu bauen oder abreißen und das Areal vielleicht anders zu verplanen.

Bei der Stadthalle droht sich diese Geschichte zu wiederholen. Jahrelang ist an der Stadthalle stets nur das Nötigste ausgebessert worden. Zu einem teuren Rundumschlag konnte sich der Stadtrat nie durchringen. Lieber nahm er die 300 000 bis 400 000 Euro Defizit in Kauf, das die Halle jährlich einfährt.

Wie die "RO 8" nämlich ist ihr Betrieb kein Muss, sondern eine rein freiwillige Leistung der Kommune. Fällt im Stadtrat nicht bald die Entscheidung für eine umfassende Sanierung oder einen kompletten Neubau, wird das Landratsamt zur Jahresmitte 2020 die Schließung anordnen. Denn zu den Problemen einer veralteten Elektronik und eines mangelhaften Brandschutzes ist, wie man inzwischen weiß, auch noch die latente Gefahr von freigesetztem Asbest hinzugekommen.

Doch nun gibt es keine Ausflüchte mehr. Das Landratsamt und eine umfassende Analyse von Architekten und Fachplanern haben der Flickschusterei einen Riegel vorgeschoben. Jetzt muss die Stadthalle umfassend saniert, neu gebaut oder abgerissen werden. Günstig wird keine der Optionen.

Rein wirtschaftlich wäre wohl der Neubau die vernünftigere Variante, das legen bislang alle Untersuchungen nahe. Doch die Stadthalle ist ein ortsbildendes Gebäude mit langer Geschichte, an dem viele Erinnerungen und Emotionen hängen. Die größte Fraktion im Stadtrat, die CSU, hat bereits angekündigt, dass, zumindest nach aktuellem Stand der Dinge, für sie ein Abriss nicht in Frage kommt.

Man kann nur hoffen, dass damit nicht die schlechteste aller Optionen eintritt: ein Stillstand wie bei der "RO 8". Zumal die Stadthalle unter ihrem künstlerischen Leiter Sebastian Schlagenhaufer aufblüht wie lange nicht. Selbst kreativer Kopf, belebt er Saal und Turmstube mit allen möglichen Formaten der größeren und kleineren Kunst, lockt die Grafinger mit Kabarett, Konzerten, Quizabenden und vielem mehr in die Kulturstätte. Gerade erst hat er angekündigt, wieder eine neue, diesmal literarische Reihe anbieten zu wollen. Und selbst einer vorübergehende Schließung sähe Schlagenhaufer optimistisch entgegen, ganz im Sinne der alten Weisheit, dass jede Krise auch eine Chance ist. Verlören die Grafinger ihre Stadthalle jedoch für immer, wäre das einfach nur schade und beschämend.

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Quelle:
SZ vom 06.09.2019
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