Kommentar:Vorbild Bioladen

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Initiativen wie das Eberwerk können tatsächlich der Energiewende nützen. Aber nur, wenn die Bürger auch beim Strom auf Qualität achten

Von Wieland Bögel

Hochwohlgeborenes Elektrizitätswerk", so begann vor 95 Jahren ein angehender Stromkunde namens Müllrisch sein Schreiben an den künftigen Energieversorger. "Ich möchte Sie nicht darüber im Unklaren lassen, dass ich als zukünftiger Abnehmer Ihres Stromes nur reinen Strom von tadelloser Qualitätsbeschaffenheit zu erhalten wünsche." Der Brief aus dem Jahr 1924 gilt als Paradebeispiel für die Stilblüte - oder vielmehr galt: Denn "Strom von tadelloser Qualitätsbeschaffenheit" ist seit einigen Jahren ein ernstzunehmendes Argument im Konkurrenzkampf der Anbieter - Stichwort "Ökostrom". Auch das Kommunalunternehmen des Landkreises und seiner Kommunen, die Firma Eberwerk, bietet seit Anfang des Jahres solchen Qualitätsstrom an, der sogar noch etwas nachhaltiger sein soll, als der von der Konkurrenz.

Denn beim Eberwerk setzt man nicht nur auf regenerative Energiequellen, sondern auch auf Regionalität. Ein Angebot, das sich im Bereich Lebensmittel schon seit einigen Jahren bewährt: Statt der berühmt berüchtigten Flugananas - und sei deren Anbau noch so öko - setzen umweltbewusste Verbraucher auf regionale und saisonale Nahrungsmittel. Die Flugananas gibt es in übertragenem Sinn auch beim Ökostrom: Nicht alles, was unter diesem Label angeboten wird, nützt auch tatsächlich der Umwelt. Zum einen weil beim Strom, anders als bei Obst und Gemüse, beim Verbraucher nicht das ankommt, was beim Produzenten rausgeht. Schließlich legt keiner eine Leitung vom Wind-, Wasser- oder Solarkraftwerk zum neuen Kunden. Vielmehr wird der Strom ins Netz eingespeist und als Kontingent verkauft - wenn die Windräder gerade stillstehen, kommt dann eigentlich Braunkohlestrom aus der Steckdose. Und auch wenn der Strom wirklich öko ist, heißt das lange nicht, dass das der Umwelt nutzt. Wenn etwa jahrzehntealte Wasserkraftwerke plötzlich zu Ökostromproduzenten umetikettiert werden, ist das inhaltlich zwar nicht falsch - mehr Strom aus erneuerbaren Energiequellen entsteht so aber natürlich nicht.

Aber vielleicht durch regionale Initiativen, wie das Eberwerk. Wo man tatsächlich mindestens so viel Strom selbst erzeugen will, wie verkauft wird und dies auch noch regional. Was bedeutet: Steigt die Zahl der Kunden, muss auch die Zahl der Kraftwerke steigen und zwar im Landkreis selbst. Ein Modell also, das wirklich der Energiewende nützt - jedenfalls wenn sich genug Ebersberger dem guten Herrn Müllrisch anschließen und beim Strom auf Qualität achten.

© SZ vom 29.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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