Süddeutsche Zeitung

Der Kommentar:Zwei Statements für die Freiheit

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Die Kundgebung der Vaterstettener Bürger am Donnerstagabend richtete sich nicht nur gegen die fragwürdigen Methoden des Manfred Schmidt. Es war eine Demonstration für die Verteidigung der Demokratie.

Kommentar von Korbinian Eisenberger

Vielleicht ertappte sich so mancher Vaterstettener unlängst bei diesem Gedanken: Ist es richtig, wenn sich alle im Ort gegen einen Menschen richten? Ist es richtig, wenn ich mich öffentlich gegen diesen Mann positioniere? Mache ich da mit? Hundert Menschen, viele von ihnen Gemeindebürger, haben diese Frage für sich unlängst mit Ja beantwortet. Gemeinsam demonstrierten sie am Donnerstagabend vor dem Vaterstettener Rathaus und forderten den AfD-Gemeinderat Manfred Schmidt mit Sprechchören und Plakaten zum Rücktritt auf. Die Fronten waren klar: Alle gegen einen. Doch es war nicht nur eine Demonstration gegen die fragwürdigen Methoden eines Wahlkämpfers beim Auffüllen von AfD-Listen. Es war auch eine Demonstration für etwas. Eine Demo für die Verteidigung der Demokratie.

Nichts ist automatisch gut, nur weil viele oder gar alle mitlaufen, das hat die Geschichte dieses Landes gezeigt. Das Bündnis, mit dem die Vaterstettener am Donnerstag ein öffentliches Bekenntnis abgegeben haben, steht aber genau für jene Werte, die eine Gesellschaft stabil und divers macht: Für Moral, Menschlichkeit, geheime Wahlen und Freiheit. Vor dem Rathaus formte sich ein Bündnis aus Jugendlichen und Dorfältesten, aus Gemeindepolitikern und Landratskandidaten. Um zu zeigen: Vaterstetten ist bunt.

Innerhalb von wenigen Tagen haben die Menschen in der Region damit gleich an zwei Orten ähnliche Signale gesetzt. Zur Anti-AfD-Demo von Bunt statt Braun anlässlich der skandalösen Ministerpräsidenten-Wahl in Thüringen waren vor einer Woche bereits knapp hundert Menschen in die Kreisstadt gekommen. Manche legten weite Wege zurück, sogar aus Stuttgart reisten Demonstranten an. Die Vaterstettener setzten dem am Donnerstag noch einen drauf: Noch nie sind im Landkreis Ebersberg oder in der Umgebung Menschen wegen eines Lokalpolitikers auf die Straße gegangen. Für derartige Proteste brauchte es stets überregionale politische Prominenz. Etwa den Auftritt des damaligen Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) vor drei Jahren beim Blaulichtempfang in Poing. Oder den Wahlkampf-Besuch von Markus Söder (CSU) 2018 auf dem Markt Schwabener Brauereifest.

Wer demonstriert, lernt, mit Niederlagen umzugehen. Söder etwa sicherte sich - trotz der Schwabener Proteste - kurz darauf das Ministerpräsidentenamt. Von Bürgern auserkoren - in einer demokratischen Wahl. Genau dieses Prozedere könnte dem AfD-Lokalpolitiker Manfred Schmidt bei der Kommunalwahl am 15. März zum Verhängnis werden.

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SZ vom 15.02.2020
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