Kommentar:Spritze statt Gießkanne

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Die Kreisräte stellen mit ihrer Entscheidung für ein Wohngeld für Pflege-Azubis die richtigen Weichen für die Zukunft

Von Simon Groß

Das Werben um Fachkräfte treibt bisweilen kuriose Blüten. So manch ein Metzgermeister bietet seinen Zöglingen mittlerweile ein teures Smartphone samt kostenloser Kreditkarte an, unter Verwendung derer der Nachwuchs dann weitere Konsumgüter allerart erwerben kann. Für eine weniger aufsehenerregende, dafür aber nachhaltigere Variante hat sich jetzt der Kreistag entschieden: Zukünftig sollen Azubis in der Pflege bei der Finanzierung ihres Wohnraums Unterstützung erhalten. Und das ist gut so. Denn der Schuh drückt gewaltig - und Grund dafür sind auch die hohen Mieten.

Der Fachkräftemangel in der Pflege ist bundesweit ein Dauerbrenner und zieht auch nicht am Landkreis Ebersberg vorbei. Rund 200 Pflegekräfte zu wenig waren es laut Statistik bereits 2016. Und angesichts des demografischen Wandels ist nicht davon auszugehen, dass der Bedarf von alleine schwindet. Mit der Idee, die allgemeine Investitionskostenförderung der ambulanten Pflege einer gezielten Wohnraumförderung für Pflege-Azubis zu opfern, hat der Kreistag eine Gießkanne in eine Spritze verwandelt, die an der richtigen Stelle ansetzt.

Dass der Wegfall der bisherigen Bezuschussung von Sachinvestitionen in Equipment, Autos und Co. auf keinen breiten Widerstand der Pflegedienste gestoßen ist, zeigt, dass die Steuermittel nicht unbedingt an der dringlichsten Stelle zum Einsatz kamen. Dagegen ist es clever, Azubis die Angst vor den hiesigen Mietpreisen zu nehmen, weil es erstens eine vergleichsweise schnelle Maßnahme ist, die auf Kreisebene getroffen werden kann und zweitens einen echten monetären Anreiz bietet für all jene, die zwar gerne in die Pflege gehen würden, aber für die das Gehalt während der Ausbildung einfach nicht reicht: Imagekampagnen zur Steigerung der gesellschaftlichen Anerkennung sind nett, zahlen am Ende aber nicht die Miete - schon gar nicht im Münchner Umland. Auf der anderen Seite sind die steigenden Kosten von zehn Euro für manche Kunden zu verkraften ist, sofern erstens: sichergestellt ist, dass auch wirklich alle sich den Mehraufwand leisten können. Und zweitens: zukünftig überhaupt das Personal da ist, um fachgerechte Pflege anzubieten. Ersteres ist mit dem Beschluss gewährleistet, Letzteres wird zumindest in Angriff genommen.

Dabei entbindet die Maßnahme den Kreis nicht von seiner Verantwortung, Neubauten zu fördern, um auf lange Sicht den Wohnungsmarkt zu entspannen. Ebenfalls muss die finanzielle Attraktivität aller sozialen Berufe gesteigert werden, denn ihre gesellschaftliche Verantwortung ist groß, ihre Bezahlung leider nicht. Dass dafür in diesem Fall keine neuen Schulden gemacht werden mussten, ist ein Glücksfall. Man kann nur hoffen, dass auch zukünftig bestehende Haushaltsposten fortwährend auf ihre Wirksamkeit und - zu gegebenem Anlass - auf Entbehrlichkeit hin geprüft werden. Denn investieren ist gut, investieren ohne zusätzliche Schulden besser.

© SZ vom 08.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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