Kommentar:Sinnloser Rundumschlag

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Eine Informationsveranstaltung ist nicht dazu da, seinen Frust bei den falschen Leuten abzuladen

Von Johanna Feckl

Es scheint, als ob viele Bürgerinnen und Bürger, die am Donnerstagabend ins Tullinger Dorfgemeinschaftshaus gekommen waren, ein grundlegendes Prinzip nicht verstanden haben - nämlich das von den Zuständigkeiten. Aber zunächst: Man musste nicht außerordentlich empathisch sein, um den Frust des Publikums über Angelegenheiten rund um die Bahn zu bemerken. Ausgefallene Züge. Verspätungen. Lärm. Gesundheitsgefahren durch Dieselabgase und Elektrosmog. Fehlende Informationen - etwa, als vor einiger Zeit der Güterverkehr von Mühldorf über die Wasserburg-Ebersberg-Trasse umgeleitet wurde. Unbeschränkte Bahnübergänge, an denen Autofahrer auch noch lange warten müssen. Das alles ist ärgerlich für den einen, für den anderen vielleicht sogar zum Haareraufen. Absolut verständlich.

Wenn dann auch noch bei einer Informationsveranstaltung, in der es eigentlich um die Zukunft des Filzenexpresses gehen soll, erst einmal 60 Minuten in ermüdender und sich wiederholender Art über die Vergangenheit der Zugverbindung referiert wird, ist das nicht unbedingt ein probates Mittel dem aktuellen Frust entgegenzuwirken.

Aber rechtfertig das alles wirklich, gegen Vertreter von Südostbayernbahn (SOB) und Bayerischer Eisenbahngesellschaft zum Rundumschlag auszuholen? Nein. Für vieles, was Anwohner als nervig empfinden, etwa das lange und laute Hupen des Filzenexpresses, gibt es gesetzliche Vorschriften. Dafür ist nicht die Bahn verantwortlich. Auch nicht dafür, dass sich der Takt der S-Bahnen auf 30 Minuten verlängern wird, wenn die zweite S-Bahn-Stammstrecke in Betrieb genommen wird, wie ein Gast kritisierte. Der Filzenexpress hat damit gar nichts zu tun.

Zum Ende der Veranstaltung musste man sich die Frage stellen, wo denn die Erwachsenen im Saal geblieben waren, so naiv waren einige Redebeiträge. "Dann muss halt mal der Zug stehen bleiben und nicht immer ich", schlug etwa ein Mann vor, der sich über zu lange Wartezeiten für Autofahrer an den Bahnübergängen beschwerte. Ein anderer Mann wollte wissen, ob die Gäste auf dem Podium auch die künftigen Ansprechpartner seien. "Für was", entgegnete Matthias Krause von der SOB. "Egal", antwortete der Mann, wenn es eben um Bahn-Angelegenheiten ginge. Ernsthaft?

Einfache Antworten sind freilich verlockend. Die Welt ist aber meistens leider doch etwas komplexer. Das ist anstrengend, der Frust nachvollziehbar. Wirklich. Aber den Erdkundelehrer pampig aufzufordern, den Satz des Pythagoras zu erklären, weil er schließlich auch ein Lehrer ist - das ist nun einmal sinnlos und unfair obendrein.

© SZ vom 17.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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