Kommentar:Schlechter Stil

Im Streit um das geplante Anzinger Gewerbegebiet schießt die Bürgerinitiative verbal übers Ziel hinaus

Von Wieland Bögel

Nein oder nicht nein, das ist oft die Frage, wenn es um Bürgerentscheide geht. Für diese wird stets eine Frage formuliert, die sich mit Ja oder Nein beantworten lässt. Da es als empirisch gesichert gilt, dass Wähler lieber Ja als Nein sagen, scheint bei knappen Mehrheiten die Sache im Vorteil, der man zustimmen kann. So auch in Anzing, wo es um ein neues Gewerbegebiet geht, weshalb die Frage lautet, ob die Wähler für ein solches sind. Die Gegner aber hätten sich gewünscht, dass sie lautet, ob man dagegen ist, denn dann hätte man Ja sagen, aber Nein meinen können. Nun ist es das gute Recht jeder Seite, für sich die besten Ausgangsbedingungen zu fordern. Was allerdings nicht für den Ton und den Stil gilt, den man bei der Bürgerinitiative offensichtlich pflegt.

Interessanterweise war es vor vier Wochen, als der Bürgerentscheid im Gemeinderat beschlossen wurde, ausgerechnet ein Gegner der Planung, der zu Mäßigung aufrief. Nach einigen hitzigen und teils verletzenden Debatten in der Vergangenheit warb Reinhard Oellerer von den Grünen für einen umgänglichen Wahlkampf. Was die Bürgerinitiative aber derzeit auffährt, ist das genaue Gegenteil davon. Wenn man der Gemeinde zwei Jahrzehnte verfehlter Gewerbepolitik vorwirft, mag das noch als Wahlkampf durchgehen. Dass man den Befürwortern des Gewerbegebietes aber "jeglichen Respekt vor der Natur, vor den Gefühlen der Menschen und auch der traditionellen Friedhofsruhe" abspricht, ist auch in Wahlkampfzeiten schon ein bisschen unterhalb der Gürtellinie.

Wenn dazu noch der Vorwurf kommt, die von der Gemeinde - übrigens mit ausdrücklicher Zustimmung der Aufsichtsbehörde - formulierte Frage führe den Wähler in die Irre, und außerdem im Info-Flyer der Bürgerinitiative behauptet wird, "etwa 50 Prozent der Bürger von Anzing" seien gegen das Gewerbegebiet, muss man schon schwer schlucken. Denn diese aggressiv-beleidigte Mischung klingt doch sattsam vertraut, so nach "schweigender Mehrheit", der durch miese Machenschaften unredlicher Menschen genommen werden soll, was ihr zusteht. Das nennt man Populismus.

Die Befürworter des neuen Gewerbegebietes können sich bedanken: Wer solche Gegner hat, braucht keine Unterstützung mehr. Zumindest wenn sie jetzt nicht den Fehler machen, in gleicher Art und Weise zurückzukeilen. Dann können sie nämlich als die besonnene Partei auftreten - und hätten damit sogar Recht. Dumm nur, dass die Anzinger dann am 24. September über Stil- statt über Sachfragen abstimmen werden.

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