Kommentar:Routine statt Hysterie

Auf dem Ebersberger Volksfest werden die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Wenn die Verantwortlichen damit routiniert umgehen, schürt das nicht die Panik, sondern schafft Vertrauen

Von Karin Kampwerth

Seit dem 11. September 2001, als die heile westliche Welt mit den Anschlägen auf das World Trade Center in New York zerbrach, kroch die Angst in den Alltag. Auch in den der Landkreisbürger. Der Schock und die Sorge vor weiterer Gewalt bestimmten in den folgenden Tagen das Leben. Gottesdienste fanden statt, weit mehr Menschen als sonst beteten in den Kirchen, in Grafing beteiligen sich Hunderte Menschen an einer Lichterkette. Und nicht wenige Ebersberger verzichteten lieber auf einen Besuch des wenig später stattfindenden Oktoberfestes.

Irgendwann wandelte sich die Betroffenheit in Hysterie. Nach einigen Anschlägen mit dem lebensgefährlichen Milzbrand-Erreger Anthrax, auch in Deutschland, rüsteten sich im Landkreis Retter und Feuerwehren für die Bekämpfung von Milzbrand. An den S-Bahnhöfen in Ebersberg und Zorneding wurde im Oktober 2001 tatsächlich Milzbrand-Alarm ausgelöst, weil verdächtige Pulver gefunden wurden. Ein Großaufgebot von Rettungskräften riegelte die Bahnhöfe weiträumig ab. In dem einen Fall handelte es sich um Zucker, im anderen um ein zertretenes Pfefferminzbonbon. Die Kriminalpolizei in Erding zählte insgesamt 41 Hinweise auf Anthrax-Anschläge - alle erwiesen sich als falsch.

Die Hysterie hat sich längst gelegt. Stattdessen leben die Bürger auch zwischen Vaterstetten und Alxing mit der realistischen Gewissheit, dass es für Katastrophen keine lokalen Ausscheidungskriterien gibt. Auch wenn es höchst unwahrscheinlich ist, dass ein Terrorist mit einem Lkw das Grafinger Bürgerfest oder die Weinfeste in Nettelkofen oder Pöring angreift - ausgeschlossen ist in diesen unruhigen Zeiten leider nichts. Das hat zuletzt der Amoklauf eines jungen Mannes gezeigt, der voriges Jahr in Grafing Bahnhof vermutlich im Wahn einen Mann getötet und drei weitere schwer verletzt hat. Hätte man hier die Wahrscheinlichkeitsrechnung bemüht, wäre für die Männer das Risiko, an jenem Tag und jenem Ort Opfer eines derartigen Verbrechens zu werden, vermutlich ebenso verschwindend gering gewesen.

Ein paar Zäune und Poller aufzustellen, wie jetzt auf dem Ebersberger Volksfest, damit sich eine bestimmt große Anzahl von Gästen beim Feiern wohler fühlt, ist deshalb nur eine Kleinigkeit. Wenn die Verantwortlichen mit derlei Vorkehrungen dann routiniert umgehen, schürt das nicht die Panik, sondern schafft Vertrauen.

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