Kommentar:Romantik ist nicht alles

Bürgerbeteiligung per Mausklick? Sicher eine unkonventionelle Idee - aber eine, die eine Erprobung lohnt

Von Korbinian Eisenberger

Es ist wie so oft unkonventionell, was die Mini-Fraktion "Zukunft Markt Schwaben" (ZMS) nun wieder aus dem Hut zaubert. Das Duo Sascha Hertel/Hubert Bauer will Bürgeranträge schneller in den Gemeinderat schleusen und den Markt Schwabenern so die Wartezeiten verkürzen. Ein ähnlicher Vorstoß ist dem Landratsamt Ebersberg nicht bekannt. Kaum überraschend ist, dass die dortige Kommunalaufsicht Bedenken hat, die Argumente gegen eine Fraktion als Filter sind nachvollziehbar. Womöglich schreitet das Landratsamt ein - was wiederum schade wäre.

Man könnte hier nämlich auch zu einem anderen Schluss kommen: Dass die ZMS hier lediglich vollzieht, was Bürger von einer Fraktion eines kommunalen Gremiums erwarten dürfen. Dazu zählt, dass sich die Mitglieder eines Gemeinderats im Ort umhören, dass sie Stimmungen und Konflikte erkennen, dass sie sich ein breites Bild verschaffen, was die Einwohner bewegt. Und hier ist der Weg, den Hertel und Bauer gehen, gar nicht so ungewöhnlich, wie er zunächst erscheinen mag. Ganz im Gegenteil.

Die ZMS vollzieht nur, was in der digitalen Welt längst dazugehört: Wer Anliegen hat oder Informationen versenden will, der kann dies von seinem Laptop oder Handy aus. Man muss einen Politiker nicht mehr in der Kirche treffen, am Markt oder beim Wirt. Man mag das Onlineformular der ZMS in dieser Hinsicht unromantisch finden. Bei der Politik geht es aber nicht um Romantik, sondern um Demokratie und Transparenz - und hier ist eine Onlineplattform für Anträge deutlich höher zu bewerten als vieles, was in Bayerns Dörfern und Kleinstädten sonst so zwischen Wirtshaus und Sitzungssaal herumwandert.

Es wird sich zeigen, ob die ZMS auf ihr Angebot Zuspruch erhält, und wie viel. Klar ist, dass die Fraktion sich für jene zu öffnen versucht, denen der Gemeinderat bisher zu unnahbar war. Dazu zählen sicher auch Menschen, die neu im Ort sind, die den Männern und Frauen im Gemeinderat noch nie begegnet sind. Dass die Markt Schwabener Bürger grundsätzlich mehr Beteiligung wollen, dafür sind die zwei jüngsten Bürgerbegehren ein deutlicher Hinweis.

Umso mehr wäre ein Verbot des ZMS-Formulars ein falsches Signal. Warum auch? Wer eine Vorsortierung oder Zensur befürchtet, braucht das Angebot nicht wahrzunehmen. Die Möglichkeit, den Antrag traditionell - etwa in der Bürgerversammlung - zu stellen, besteht ja weiterhin. Und auch die Romantik bleibt erhalten: Wer will, kann den Gemeinderat seines Vertrauens wie zu guten alten Spezlwirtschaftszeiten zum Überzeugungs-Umtrunk beim Wirt einladen.

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