Kommentar:Profilierung allüberall

Seit mehr als einem Jahr wird im Grafinger Stadtrat das Thema Weihnachtsmarkt in einer Art und Weise behandelt, die mit unprofessionell noch höflich umschrieben wäre

Von Wieland Bögel

Der Vorwurf des Populismus ist ja zur Zeit arg in Mode, auch in Grafing war er nun wieder zu hören. Dort hatten die Stadträte über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens für einen längeren Weihnachtsmarkt zu befinden. Welches, wie CSU-Stadtrat Josef Carpus befand, eben reiner Populismus sei. Etwas vornehmer drückte sich sein SPD-Kollege Franz Frey aus, er warf den Initiatoren des Begehrens vor, sich nur profilieren zu wollen. Womit Frey vermutlich gar nicht mal Unrecht hat. Bürgerentscheide waren, sind und bleiben wohl auch Möglichkeiten für Parteien, Initiativen und sonstige Interessengruppen, für sich und ihr Anliegen zu werben - sprich: sich zu profilieren. Die Frage sollte aber ohnehin nicht lauten, ob sich jemand profilieren will - sondern warum dies in Grafing in dieser Form möglich ist.

Denn in puncto Profilierung - und vielleicht auch Populismus - können sich eigentlich alle Stadtratsmitglieder an die eigenen Nasen fassen. Seit mehr als einem Jahr wird im Gremium und seinen Ausschüssen und Beiräten das Thema Weihnachtsmarkt in einer Art und Weise behandelt, die mit unprofessionell noch höflich umschrieben wäre. Da dürfen eindeutig befangene Stadträte mitstimmen, es werden Zeitpläne beschlossen, die für die Veranstalter unmöglich umzusetzen sind oder - wie nun die CSU-Gegenstimmen im Ferienausschuss - Voten abgegeben, die nach der Gemeindeordnung unzulässig sind. Obwohl - unprofessionell wäre das ja nur, ginge es um echte Lösungsansätze, was hier ganz offenbar nicht der Fall ist. Denn von Anfang an diente der Weihnachtsmarktstreit der Profilierung: Die einen gerierten sich als Retter des Einzelhandels vor parkplatzverschwendenden Glühweinschlürfern, die anderen stellten sich dar als die Wahrer von Weihnachtsstimmung, Ambiente und dem ganzen Rest.

Die jüngste Sitzung des Ferienausschusses bildet da keine Ausnahme, diese war ein Musterbeispiel der Profilierung von allen Seiten. Die vermutlich auch so gewünscht war und ist. Wäre es anders, hätte das Gremium den in seiner Wichtigkeit für die Stadt doch eher untergeordneten Weihnachtsmarktkonflikt längst entschärfen können. Etwa durch einen eigenen Bürgerentscheid per Ratsbegehren. Damit hätte man die Sache sauber und demokratisch erledigen können, ganz ohne, dass sich dabei jemand profiliert hätte - wer auch immer.

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