Kommentar:Pflicht zu helfen, nicht zu heilen

Das Betäubungsmittelgesetz gehört dringend geändert, damit Ärzte bei der Behandlung von Drogenabhängigen nicht zu deren Nachteil gegängelt werden

Von Johanna Feckl

Eine Drogenersatztherapie ist eine Behandlungsmethode bei schwerster Abhängigkeit nach illegalen Opioiden. Unter ärztlicher Aufsicht nimmt der Betroffene legale Betäubungsmittel ein, die zum einen keinerlei psychische Rauschzustände zur Folge haben. Zum anderen ersetzt die Einnahme des Mittels das physische Verlangen nach dem verbotenen Opioid - das Medikament dient als Substitutionsmittel.

Durch die Behandlung fallen viele Folgen weg, die eine Drogenabhängigkeit üblicherweise mit sich bringen: Verlust der Arbeitsstelle, Verschuldung oder Kriminalität zur Drogenbeschaffung, Ansteckung mit Infektionskrankheiten durch unhygienische Zustände. Zusätzlich erhält der Betroffene die Möglichkeit, sich einen stabilen Alltag zu gestalten, mit einer Arbeit, Familie und Freunden, mit Hobbys und Interessen. Kurz: Mit einer Substitutionstherapie hilft der Arzt dem Patienten, damit dieser ein autonomes und geregeltes Leben führen kann.

Und genau hier tut sich ein Problem auf: Der Arzt soll nicht nur helfen, sondern heilen, damit der Patient ein autonomes und geregeltes Leben führen kann. So sieht es zumindest die geltende Verordnung zur Betäubungsmittelverschreibung (BtMVV) vor. Die Behandlung hat das oberste Ziel einer "schrittweisen Wiederherstellung der Betäubungsmittelabstinenz", heißt es dort. Konkret bedeutet das: keine Einnahme von illegalen Opioiden wie Heroin und (irgendwann) auch keine von legalen wie den Substitutionsarzneien - denn jedes Opioid ist ein Betäubungsmittel. Der Patient soll also vollständig von seiner Opioidabhängigkeit geheilt werden. Klar mag das für einen chronisch drogenabhängigen Menschen ein Ideal sein. Für die meisten ist das aber nicht realistisch. Dem Arzt gesetzlich die Last aufzubürden, dass seine Substitutionsbehandlung den Patienten in eine absolute Abstinenz führen soll, entbehrt damit jeder Sinnhaftigkeit - sofern die Realität in der Gesetzgebung eine Rolle spielen soll.

Es ist daher ein guter und längst notwendiger Schritt der Bayerischen Landesärztekammer, einen neuen Entwurf der BtMVV vorzulegen, der unter anderem die Betäubungsmittelabstinenz als notwendiges Ziel einer Substitutionsbehandlung nicht mehr vorsieht. Damit haben die Ärzte die Möglichkeit, dauerhaft zu helfen. Und das ohne sich in einer gesetzlichen Grauzone zu befinden, weil eine Heilung vorgeschrieben ist.

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