Kommentar:Nur Kosmetik

Die Straußdorfer können ihren Ort nur aufhübschen, der Lkw-Durchgangsverkehr wird allerdings bleiben

Von Thorsten Rienth

Die Straußdorfer fühlen sich vernachlässigt, außen vor gelassen und lokalpolitisch wenig beachtet. Wenn es ums dörfliche Ego geht, kann es schon mal laut werden. "Was die Stadt Grafing in den letzten Jahren in Straußdorf investiert hat, das war außer dem Kanal kein Sackerl Zement", wetterte CSU-Kreisrat Martin Lechner. "Die Enttäuschung ist riesengroß!" Der Grafinger Blick sei nämlich vor allem ein Blick auf die Stadt, nicht aber auf die gesamte Gemeinde, kritisierte er. Deshalb würden die Grundstückspreise in der Stadt steigen, während sie auf dem Land fielen. Der Applaus im Saal lässt darauf schließen, dass Lechner mit seiner harten Haltung nicht alleine dasteht.

Ist das nun aber berechtigte Kritik? Oder eher eine Art Minderwertigkeitskomplex einer stolzen Gemeinde, die Ende der 1970er Jahre der Stadt Grafing zugeschlagen worden war? Die Antwort muss wohl heißen: beides. Mitnichten wird Straußdorf in der Grafinger Lokalpolitik ignoriert. Gerade bekommt der Ortsteil - auf eigenen Wunsch - zum Beispiel einen Radweg nach Grafing gebaut. Und Josef Rothmoser (CSU) ist so etwas wie der Straußdorfer Anwalt im Stadtrat. Seit vergangenem Jahr als stellvertretender Bürgermeister zudem die Nummer Zwei in der Stadtverwaltung.

Gleichwohl kommt die Straußdorfer Wut nicht von ungefähr. Denn um sich selbst vom Verkehr zu entlasten, schoben ihn die Grafinger mit der Ostumfahrung in Richtung Straußdorf. So langsam merkt der Ortsteil, was dies in Kombination mit den nun für Lkw geöffneten Bahnunterführungen im Süden bedeutet. Wohl auch deshalb steht die Verkehrsentlastung ganz oben auf der Liste des Dorferneuerungsteams. Keine Frage: Das Programm wird das Dorf sicherlich ein bisschen aufhübschen. Aber kein einziges Fahrzeug wird deswegen weniger hindurch fahren.

Das hätten die vielfach anwesenden Grafinger Stadträte den Straußdorfern auch ruhig so deutlich sagen können. An einem ernsthaften Gespräch schienen sie aber nicht sonderlich interessiert zu sein. Wirklich unters Volk trauten sich nur zwei oder drei von ihnen. Der Rest setzte sich mit einer elitären Selbstverständlichkeit an den großen Tisch in der Mitte. Welch Symbolik, die die Grafinger da setzen: Mittendrin wollen sie sein, aber bitteschön unter sich.

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