Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Mut zur Meinungsänderung

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Nicht immer sind schnelle Entscheidungen die besten: Das zeigt die nun beschlossene Erweiterung der Comenius-Schule. Dass sich hier die Kreisgremien mehr Zeit gelassen haben, war wichtig und richtig

Von Simon Groß

Was vor nicht allzu langer Zeit noch so verzwickt aussah, hat sich jetzt in überraschender Einstimmigkeit aufgelöst. Während sich die Befürworter der günstigsten und der üppigsten Erweiterungsvariante für die Grafinger Comenius-Schule Anfang Oktober noch scheinbar unversöhnlich gegenübersaßen, ließ sich nun einer nach dem anderen für die Kompromisslösung gewinnen. Nach und nach gaben die Kreisräte bekannt, auch durch die Eindrücke an Ort und Stelle von ihrer früheren Position abzurücken und jetzt vom Kompromiss überzeugt zu sein - ein ungewöhnliches Schauspiel, das gleich mehrere Dinge verdeutlicht.

Zum einen ist schnell nicht immer besser. Der Politik wird immer wieder vorgeworfen, zu langsam zu sein, sich im Kreis zu drehen. Das mag manches Mal stimmen, aber nicht immer. Es war klug, die Entscheidung zum Ausbau der Johann- Comenius-Schule nicht übers Knie zu brechen, eine Entscheidung, die die Möglichkeiten und die Grenzen der Fördereinrichtung über viele Jahre bestimmen wird und auch längerfristige Auswirkungen auf den Haushalt des Landkreises haben wird. Zum anderen zeigt sich auch, dass Politik gut daran tut, wenn sie sich die Arbeits- und Lebensverhältnisse von Menschen direkt anschaut und so ein besseres Gespür für die wirklichen Bedürfnisse bekommt. Es ist eben ein Unterschied, über ein überfülltes Zimmer zu reden oder darin zu sitzen.

Die Ortsbegehung als Mittel politischer Entscheidungsfindung - sie sollte auch auf höherer Ebene öfter stattfinden. Sie ist allerdings auch nur hilfreich, wenn die Entscheidungsträger sich auf die Wirkung einlassen, also ergebnisoffen und nicht voreingenommen und dogmatisch an solche Entscheidungen herangehen. Die Kreisräte haben bewiesen, dass sie dazu in der Lage sind. Jetzt muss der Grafinger Stadtrat zeigen, dass seine Mitglieder ebenso kompromissbereit sind und sich nicht an statische Bauvorgaben klammern, die einer sinnvollen Lösung im Weg stehen. Das sollte er allerdings schnell tun, es wäre den Schülern und der Lehrerschaft der Schule nur zu wünschen.

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Quelle:
SZ vom 22.10.2019
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