Kommentar:Mehrwert durch Praxis

Manchmal ist weniger mehr, das vermittelt der Reparaturtag in Markt Schwaben. Allerdings hätte man diese Regel auch beim Begleitprogramm beachten sollen

Von Anna Horst

Einen Mehrwerthof will man bauen in Markt Schwaben. Integrative Werkstätten sollen entstehen und unser Müll recycelt, upcycelt, refabriziert und repariert werden. Um auf das Thema Wiederverwertung aufmerksam zu machen und um Vorschläge für die Umstrukturierung des Mehrwerthofes zu sammeln, wurde kürzlich der Reparaturtag veranstaltet. Da dachte sich der Ottonormalverbraucher Markt Schwabens: Nette Sache, da geh ich mal mit den Kindern hin und wir reparieren Omas alte Sockenschublade. Um den Kleinen beizubringen: Man muss nicht alles wegwerfen, der Werkzeugkasten ist schließlich zum Benutzen da.

Die Idee des Reparaturtags ist unzweifelhaft eine gute. Jedem leuchtet ein, dass nicht alles gleich in die Mülltonne geworfen werden muss. Was allerdings nicht jedem einleuchtet, ist, warum beim Reparaturtag plötzlich drei riesige Infotafeln über eine "Circular Society" informieren. Eine Gesellschaft, die in Kreisläufen denkt. Hieß es nicht immer, vorwärts denken? Wieso denn plötzlich im Kreis?

Liest man sich die Texte auf den Tafeln durch, wird schnell klar: in einer "Circular Society" herrscht eine "Circular Economy". In dieser Wirtschaftsform werden sämtliche für ein Produkt verarbeitete Rohstoffe nach dessen Lebensende wiederverwendet. In der "Circular Society" denkt und handelt nun auch die Gesellschaft nach dem Kreislaufprinzip. Und so etwas möchte man auf dem Mehrwerthof in Markt Schwaben einführen. Der Ottonormalverbraucher, der eigentlich nur Omas Sockenschublade reparieren wollte, bekommt es langsam mit der Angst zu tun: Soll da etwa eine Art Parallelgesellschaft auf dem Mehrwerthof entstehen? Oder gar eine ökologische Sekte?

Als dann zum Abschluss des Nachmittags auch noch eine Rede von Stefan Schridde zum Thema "geplante Obsoleszenz" angekündigt wird, nimmt unser Ottonormalverbraucher endgültig Reißaus. Wie er das den Kindern erklären soll, weiß er nämlich wirklich nicht und war das nicht eigentlich immer so eine Verschwörungstheorie? Dementsprechend besteht Schriddes 20-köpfiges Publikum zur Hälfte aus Mitgliedern des Organisationsteams. Vielleicht hätte das anders ausgesehen, wenn man den Reparaturtag hätte Reparaturtag sein lassen. "Circular Society" und geplante Obsoleszenz mögen interessante Themen sein, doch bei der Instandsetzung von Omas Sockenschublade helfen sie nicht weiter - und die trägt wahrscheinlich am Ende mehr zur Ressourcenschonung bei, als alle schöne Theorie.

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