Kommentar:Lieber Defizit als Frevel

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Die Kinderkrippe in Zinneberg hat im vergangenen Jahr ein Minus von knapp 60000 Euro eingefahren. Doch zu den schwarzen Schafen darf man sie trotzdem nicht zählen: Ihr Defizit ist absolut plausibel

Von Anja Blum

Schwarze Schafe gibt es überall. Also wahrscheinlich auch Kindertagesstätten, die es - in der Erwartung kommunaler Unterstützung - mit dem Haushalten nicht so genau nehmen. Die gerne Geld ausgeben, für neue Spielgeräte oder mehr Personal, weil ihnen nichts passieren kann, wenn sie am Ende eine dicke rote Zahl produzieren. Weil die Gemeinde ihr Konto ohnehin ausgleicht. Die Kinderkrippe in Zinneberg hat, wie nun bekannt wurde, im vergangenen Jahr ein Minus von knapp 60 000 Euro eingefahren. Doch zu den schwarzen Schafen darf man sie trotzdem nicht zählen: Ihr Defizit ist absolut plausibel.

2016 wurden, weil die Warteliste zusehends länger geworden war, die Kapazitäten der einzigen Glonner Krippe verdoppelt, von 24 auf 48 Plätze. Und zunächst sah es auch so aus, als ob diese im Herbst alle belegt sein würden. Es lagen reichlich Anmeldungen vor. Also bemühten sich die Verantwortlichen - Träger ist die Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung der Schwestern vom Guten Hirten - um mehr Personal. Doch im Laufe des Jahres überlegten es sich derart viele Familien anders, dass die Krippe letztlich zu viele Menschen angestellt hatte.

Das Problem ist: Ein kleiner Träger wie der Zinneberger hat nicht die Möglichkeit, Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen zwischen verschiedenen Einrichtungen hin und her zu schieben, um den vorgegebenen Betreuungsschlüssel immer möglichst genau und damit kostendeckend zu erfüllen. Die neu gefundenen Kräfte deswegen jedoch wieder ziehen zu lassen, wäre tatsächlich ein Frevel gewesen. Erstens, weil qualifiziertes Personal für Kindertagesstätten seit langem absolute Mangelware ist. Jeder Träger, der einen neuen Anstellungsvertrag unterzeichnet, kann sich glücklich schätzen. Und zweitens, weil absehbar war, dass der Bedarf wieder steigen würde. Bereits im Dezember, also drei Monate später, waren zehn Kinder mehr zu betreuen, mittlerweile sind es fast 40.

Und den Eltern wird ein Pauschalurteil ebenfalls nicht gerecht. Zwar mag es auch hier schwarze Schafe geben, doch in der Regel haben Eltern nur zwei Anliegen: Möglichst zuverlässig einen Platz zu bekommen, der bestmöglich zu den Bedürfnissen der ganzen Familie passt. Wenn sie ihr Kind also sicherheitshalber in Glonn anmelden, dann aber doch lieber in die Einrichtung neben dem Büro bringen, kann man ihnen das nicht verdenken. Das gleiche gilt für eine Mutter, die keinen Teilzeitjob findet und deswegen dann doch keine Betreuung braucht. Oder für den Fall eines unerwarteten Nachzüglers. Oder, oder, oder... Das Risiko der Kinderbetreuung, das liegt in der Natur der Sache.

© SZ vom 28.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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