Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Kosten der Kunst

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Wenn öffentliche Haushalte Geld sparen, ist das grundsätzlich gut. Aber muss der Rotstift unbedingt immer zuerst an der Kultur angesetzt werden?

Von Wieland Bögel

Der sparsame Umgang mit öffentlichem Geld ist nichts, wofür jemand Kritik verdient hätte. Das trifft auch auf Grafing zu, wo die Stadträte im Bauausschuss nun beschlossen haben, beim Bau einer neuen Kita 1,6 Millionen Euro zu sparen. Für die chronisch klamme Stadtkasse ist das eine gute Nachricht, für das kulturelle Leben indes weniger. Denn die Einsparung geht zulasten eines Probenraums für das auch außerhalb Grafings nicht ganz unbekannte Jugendorchester.

Nicht, dass man keine Zweifel haben könnte, dass die "Homebase" eines Orchesters, in einem Kinderhaus unbedingt gut untergebracht wäre. Völlig konfliktfrei sind derartige Doppelnutzungen von Gebäuden selten. Allerdings waren es nun nicht solche Argumente, welche im Ausschuss die Umplanung begründeten, sondern schlicht, dass ein Probenraum zu teuer komme. Was den Eindruck entstehen lässt: Wenn es eng wird, spart man am Besten an der Kultur. Womit die Grafinger im Übrigen nicht alleine sind. Erst vor einem guten Vierteljahr setzten die Vaterstettener einer seit mehr als vier Jahrzehnten erfolgreichen Kulturveranstaltung de facto ein Ende: Die Rathauskonzerte wurden unter Verweis auf die schwierige Finanzlage wegen Corona auf einen kärglichen Rest reduziert, dessen endgültiges Ende wegen Unattraktivität eigentlich schon absehbar ist. Und dabei ging es im Gegensatz zu Grafing nicht um gut eineinhalb Millionen, sondern um ein paar 10 000 Euro.

Vielleicht hätte sich in beiden Fällen in den Haushalten der Kommunen der eine oder andere Posten gefunden, den man zugunsten der Kultur etwas hätte strecken oder kürzen können. Natürlich erwartet niemand, dass sich öffentliche Haushalte ruinieren, auch nicht für die Kultur, und wie erwähnt: Sparsamkeit beim Ausgeben von Steuergeld ist eine gute Sache. Nur manchmal wäre es vielleicht ebenso gut, nicht zuerst bei der Kultur den Rotstift anzusetzen.

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Quelle:
SZ vom 02.01.2021
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