Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Königsweg Kunst

Der Nachwuchs macht sich nicht nur über das Klima Gedanken, sondern auch über viele andere Missstände auf der Welt. Das hat der Ebersberger Jugendkulturpreis nun wieder eindrucksvoll bewiesen.

Von Anja Blum

Desinteressiert am Weltgeschehen und an der Politik, konsumorientiert sowie mediensüchtig: Dass dieses Bild der heutigen Jugend nicht ganz richtig sein kann, dämmert spätestens seit "Fridays for Future" wohl den allermeisten Erwachsenen. Doch nicht nur über das Klima macht sich der Nachwuchs Gedanken, sondern auch über viele andere Missstände - sowohl auf der großen weiten Welt, als auch im eigenen Umfeld. Das hat der Jugendkulturpreis, den der Ebersberger Kreisjugendring (KJR) einmal im Jahr auslobt, nun wieder eindrucksvoll bewiesen. 68 Werke wurden heuer eingereicht, von Kindern bis hin zu jungen Erwachsenen - ein fantastischer Zuspruch. Und wer sich die dreitägige Ausstellung beim Kunstverein in Ebersberg angesehen hat, den beschlich möglicherweise ein Verdacht: Könnte es sein, dass der Mensch im Laufe der Jahre immer mehr seiner Ideale verliert, anstatt eben solche mit zunehmender Lebenserfahrung zu entwickeln? Sind Kinder vielleicht die besseren Menschen?

Die Arbeiten nämlich, die zum diesjährigen Thema "zerbrechlich" eingereicht wurden, zeugen von einem großen Bewusstsein für die Probleme der Welt. Die Kinder und Jugendlichen haben sich fast ausnahmslos existenziellen Themen gewidmet: von Umweltzerstörung über Gewalt, Krieg und Flucht bis hin zur Fragilität menschlicher Beziehungen, sei es unter Freunden oder in der Familie. Auch an Selbstkritik haben sie dabei nicht gespart. Die Bildsprache ist deutlich, man sieht allenthalben zersplittertes Glas, Weltkugeln und Herzen, mal hübsch gezeichnet, mal modelliert, mal ikonografisch, mal realistisch als Organ dargestellt. Von einer "krassen Intensität" sprach KJR-Geschäftsführer Philipp Spiegelsberger - völlig zu Recht. Und Jury-Mitlied Babsi Lux zeigte sich regelrecht ergriffen: "Es ist fast zum Heulen schön."

Zu loben sind aber nicht nur die vielen jungen Künstlerinnen und Künstler, sondern auch die Menschen hinter dem aufwendigen Projekt: die fünfköpfige Jury sowie das Team des KJR, allen voran der Vorsitzende Daniel Hitzke, der den Jugendkulturpreis vor ein paar Jahren höchst erfolgreich wiederbelebte. Auf kaum eine andere Initiative sei er so stolz, sagte er bei der Preisverleihung. Kein Wunder, ist die Kunst doch ein Königsweg, wenn man junge Menschen dazu anregen möchte, sich Gedanken über die Welt zu machen - und ihren Stimmen dann obendrein Gehör verschaffen. Beides hat der Jugendkulturpreis nun wieder vorbildlich geleistet.

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Quelle:
SZ vom 19.11.2019
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