Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Kann nur besser werden

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Setzt sich die Fraktion durch, denen das Morgen zuwenig von gestern hat, könnte die Zukunft ganz schön alt aussehen. Das gilt zumindest für einen futuristisch geratenen Vorschlag für ein neues Hochhaus in Ebersberg

Kolumne von Wieland Bögel

Wann wird morgen zu gestern, wann wird die Zukunft alt? Was wie eine Fangfrage für Philosophen klingt, lässt sich in Architektur und Stadtplanung an vielen Stellen erkennen. Auch in der Kreisstadt gibt es einen Ort, an dem sich das Morgen von gestern sehr gut besichtigen lässt: Die Hochhäuser an der Dr.-Wintrich-Straße. Diese entsprechen mit ihrer Ladenzeile einem Konzept, das vor vier bis fünf Jahrzehnten die absolute Zukunft verkörperte - heute aber als Paradebeispiel für nicht ganz zu Ende gedachte Stadtplanung gilt. Dies durch ein modernes Konzept aufzubrechen ist - auch wenn der Entwurf für manche etwas zu futuristisch gerät - daher eine sinnvolle Idee.

Denn was wären die anderen Optionen? Entweder man lässt alles wie es ist, was keine echte Option ist. Zum einen ist der Ort zwischen den beiden Häusern schon jetzt nicht besonders schön und wird mit dem Vergehen weiterer Jahre sicher nicht schöner. Zum anderen ist die jetzige Nutzung streng genommen Platzverschwendung: In einem dicht bebauten Wohngebiet steht ein einstöckiger Flachbau. Dieser verbraucht relativ viel Grund für relativ wenig Nutzen. Durch den Neubau würde keine zusätzliche Fläche versiegelt und trotzdem mitten in der Stadt neuer Wohnraum entstehen. Nun kann man darüber streiten, ob es eine Option ist, den Neubau etwas konservativer zu gestalten. Trotzdem muss man sich auch fragen, ob es sinnvoll ist, ein drittes Hochhaus im Stile der 1970er zu errichten. Möglich wäre das sicher - aber irgendwie auch schade. Schließlich macht das Nebeneinander verschiedener Epochen und Stilrichtungen ein lebendiges Stadtbild aus. Zudem ist der Beton-Brutalismus inzwischen auch etwas in Verruf geraten, so dass hier wohl niemand ernsthaft Ensembleschutz fordern würde.

Natürlich gibt es, bei allem Optimismus, den die Mehrheit im Stadtrat dem Projekt entgegenbringt, ein paar Dinge zu beachten. So sollte die Stadt alle ihre Möglichkeiten nutzen, dass die von Planern und Bauherren versprochenen Vorgaben auch eingehalten werden. Das betrifft zum einen die Begrünung, die, wenn sie umgesetzt wird, das neue Haus zu einem ortsbildaufwertenden Gebäude machen würde. Zum anderen natürlich die Zusage, die neuen Wohnungen zu bezahlbaren Preisen anzubieten.

Wenn alles klappt, könnte der Neubau tatsächlich zukunftsweisend sein - und die Ebersberger wären damit sogar mutiger als die Münchner. Dort war an der Ridlerstraße unweit der Schwanthalerhöhe vor gut zwei Jahren ebenfalls ein neues Hochhaus mit gedrehten Etagen geplant. Doch der Stadtgestaltungskommission war das Konzept zu wenig von gestern.

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Quelle:
SZ vom 11.10.2019
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