Kommentar:Im Zweifel für das Volk

Eine Tauschbörse am Wertstoffhof ist keine Keimzelle für Anarchie und Chaos - schade, dass das die Mehrheit im Zornedinger Gemeinderat anders sieht

Von Karin Kampwerth

Zunächst einmal muss sich die Autorin hier als Mülldiebin outen. Sie hat - hoffentlich ist die Tat bereits verjährt - vor geraumer Zeit eine Suppenterrine mit Deckel vom Zornedinger Wertstoffhof mitgehen lassen. Feinstes Porzellan, vermutlich handbemalt, kein Kratzer. Das gute Stück, dessen Herstellung in die frühe Nachkriegszeit fallen dürfte, stammt vermutlich aus einer Wohnungsauflösung. Beinahe liebevoll wurde die Schüssel im Container für Bauschutt abgesetzt. Ganz vorsichtig, damit sie auf einem Haufen alter Steine bloß nicht zerbricht - zumindest nicht vor den Augen desjenigen, der sich aus welchen Gründen auch immer von ihr getrennt hat. Kurzum: Nun steht die Schüssel, gefertigt in einer namhaften Porzellanmanufaktur, in einer Vitrine im Haus der Autorin. Den früheren Eigentümer würde das sicher freuen.

Die meisten Zornedinger Gemeinderäte sind allerdings zu beneiden. Denn sie scheinen das Problem nicht zu kennen: Etwas zu besitzen, das man nicht mehr haben möchte, das aber auch zu schade für den Müll ist. Nur hat man eben keine Zeit, dafür einen Garagenflohmarkt zu veranstalten oder den Verkauf über eine Auktionsplattform im Internet zu organisieren. Und dann wandert der ungeliebte Staubfänger eben irgendwann mit auf den Wertstoffhof, weil man ohnehin den Rasenschnitt dort abliefern muss.

Wie sympathisch wäre es, wenn man seine Speicher- oder Kellerschätzchen dort in einer Ecke abstellen könnte, wo sie einen neuen Besitzer finden könnten. Wer den Zornedinger Wertstoffhof kennt, weiß, dass sich hier problemlos ein Plätzchen finden ließe - vielleicht in Form eines begehbaren Containers wie der für den Elektronikschrott. Und der weiß auch, dass es für die freundlichen und hilfsbereiten Mitarbeiter kaum ein Problem wäre, festzustellen, ob etwas schon Müll oder noch gut brauchbar ist. So viel an Waren würde ohnehin nicht anfallen, weil sie von ungarischen Händlern - übrigens ebenfalls immer sehr freundlich - vorher schon abgefangen wird. Aber sie haben eben auch nicht für jede schöne Schüssel ein Auge, geschweige denn Verwendung.

Im Zornedinger Gemeinderat allerdings überwiegt einmal mehr die Macht der eigenen Meinung. Der eine meint dies, der andere glaubt das. Schade. Statt sich aus seinem eigenen Gedankenradius herauszubewegen und darauf zu vertrauen, dass die Zornedinger kein rüpelhaftes Völkchen sind, das sich um alte Möbel prügelt, überwiegen die Bedenken, dass etwas schief gehen könnte. Dabei hätte ein Blick in die Nachbarschaft gereicht. Am Grafinger Wertstoffhof etwa gibt es eine solche Güterbörse. Dennoch hat man bislang nichts davon gehört, dass dort die Anzahl der Gewaltdelikte angestiegen wäre.

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