Kommentar:Im Rahmen der Möglichkeiten

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Freiflächen-Photovoltaik kann einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten. Befürchtungen, bald würden alle Wiesen und Felder blau glitzern, sind unbegründet - dafür sind die Ansprüche für Solaranlagen zu speziell

Von Thorsten Rienth

Wer Zeit hat und die lokale Energiewende mit eigenen Augen sehen möchte, könnte sich aufs Fahrrad setzen und nach Markt Schwaben zur Bahnlinie nach Erding fahren. Etwas kleiner als die aktuell geplanten Anlagen in Ebersberg, Grafing und Kirchseeon steht sie dort in einem Gleisdreieck - und ist bereits in Betrieb. Wenn das Wetter passt und sich im Süden das Alpenpanorama den Horizont entlangzieht, sieht das sogar richtig gut aus. Klagen können eigentlich nur Entomophobiker, also Leute mit panischer Angst vor Insekten. Überall kreucht und fleucht es, Mücken, Käfer, Bienen, Libellen, alles was die oberbayrische Kriech-und-Flieg-Fauna so hergibt.

Deshalb räumt dieses Bild auch gleich einmal mit der gängigen Kritik an PV-Freiflächenanlagen auf. Nämlich, dass Natur verschandelt würde. Offenbar ist das Gegenteil der Fall. Regelrechte Biotope entstehen zwischen den Solarpaneelen. Was für ein willkommenes Kontrastbild zur hochgezüchteten Monokultur auf vielen Feldern ringsum!

Monokulturliebhaber jedenfalls brauchen sich keine große Sorgen machen, dass der Landkreis bald großflächig blau glitzert, anstatt maisgrün zu leuchten. Dazu genügt schon ein beispielhafter Blick auf die Planvorhaben im südlichen Landkreis, allen voran die in Grafing und Kirchseeon: Das Areal an der Bahnlinie zwischen Grafing und Grafing-Bahnhof gilt als eines der wenigen großen auf dem gesamten Gemeindegebiet, die für eine Freiflächen-PV-Anlage überhaupt in Frage kommen. Mal ist es zu bergig. Mal die Fläche zu klein und der Schattenwurf zu groß. Mal würde die sogenannte artenschutzrechtliche Prüfung der nächsten Anlage den Garaus machen. Mal ist - zumindest nach derzeitiger Rechtslage - die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben. Da sich Anlagen vor allem nur entlang von Bahnlinien rechnen, werden die Potenziale noch mal gestutzt. Was das konkret bedeutet, zeigt sich in Kirchseeon. Der Standort an der Bundesstraße gilt, bei allem guten Willen, als schwierig umsetzbar. Solche Flächen nämlich fallen nicht unter die Förderung des Erneuerbare-Energie-Gesetzes. Auch über die anderen in Frage kommenden Grundstücke kann die Marktgemeinde nicht einfach so verfügen. Sie gehören ihr schlicht nicht.

Vor allem braucht es deshalb Flächeneigentümer wie den Landwirt Sebastian Föstl. Der hat sein Grundstück im Markt Schwabener Gleisdreieck für 30 Jahre ans Eberwerk verpachtet. "Wenn wir es nicht machen, wer denn dann?", fragte Föstl. Hinter der Antwort, die er beim feierlichen Spatenstich gleich mitlieferte, steckte ein Lokalpatriotismus, der blaue Panels und grüne Wiesen irgendwie zusammenzubringen scheint. Für die Zusammenarbeit mit dem Eberwerk habe sich seine Familie entschieden, weil "wir nicht irgendeinen Investor wollten, den wir nicht kennen".

© SZ vom 01.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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