Kommentar:Handy weg vom Steuer

Ein kleines Pling - und schon schaut man wieder aufs Display. Es ist gut, dass die Kreisverkehrswacht nun zeigt, wie verhängnisvoll die Folgen sein können

Von Karin Kampwerth

Wenn zu lesen ist, dass ein junger Mensch einen Unfall "aus ungeklärter" Ursache verursacht hat, weil er von der Fahrbahn abkam oder in den Gegenverkehr geriet, können sich manche Eltern von Fahranfängern sorgenvoll vorstellen, dass möglicherweise das Handy schuld war. Schließlich haben die meisten auch schon eine Whatsapp-Nachricht vom Sohn oder der Tochter bekommen, dass man in zehn Minuten zum Abendessen daheim sei, wobei in Kenntnis der Strecke zu befürchten war: Diese Nachricht wurde während der Autofahrt geschrieben.

Viele junge Menschen, das lässt sich täglich beobachten, daddeln am Smartphone, wann immer sie können. So wie zwei geschätzt 20-jährige Burschen kürzlich an einer Kreuzung in Kirchseeon. Als die Ampel auf Grün schaltete, fuhren sie zwar los, Fahrer und Beifahrer aber tippten auf dem Display herum. Zu groß ist der Reiz, hinzusehen, wenn das Smartphone - pling - den Plan der Freunde für den Abend ankündigt. Oder - pling - das Urlaubsfoto vom Kumpel im Posteingang landet. Oder - pling - ein Facebook-Post kommentiert wird.

Insofern ist es gut, dass die Kreisverkehrswacht mit ihrer neuen Plakatkampagne dieses Thema aufgreift - passend zu einem bedrückenden Video des NDR-Jugendablegers N-Joy, das seit mehr als einem Jahr in sozialen Netzwerken die Runde macht. Darin ist eine junge Frau auf den Weg nach Hause, im Chat mit der Mutter kündigt sie an, etwas Wichtiges mitteilen zu müssen. Kurz vor dem Ziel schickt sie eine Nachricht, dass sie gleich angekommen sei. Der letzte Buchstabe endet im Aufprall. Das Handy, auf dem noch die Antwort der Mutter "Alles gut?" aufblinkt, wird vom Spurensicherer eingetütet. Furchtbar.

Ähnliche Emotionen soll das Fotomotiv der Kreisverkehrswacht wecken, es geht aber konsequent einen Schritt weiter. Die weinende Frau, die sich an die Schulter eines schwarz gekleideten Mannes schmiegt, muss nicht zwingend trauernde Mutter sein, sie könnte auch Tochter oder Ehefrau sein. Denn schnell mal sein Handy zu checken, ist längst kein Privileg der Jugend mehr. Hoffentlich schauen diejenigen - egal wie alt -, die mit der Kampagne erreicht werden sollen, in dem Moment, in dem sie an dem Plakat vorbeifahren, nicht gerade aufs Display.

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