Kommentar:Gut gemeint, aber nicht gut gewesen

Es ist wichtig, dass die Kirche sich Strategien überlegt hat, wie sie in der Coronakrise Beistand leisten kann. Doch gut gemeint heißt auch hier nicht gut gemacht

Von Johanna Feckl

Es ist absolut richtig, dass sich die katholische Kirche in Form des Erzbischöflichen Ordinariats München und Freising während der unsicheren und für viele Menschen gefährlichen Corona-Zeit präsent zeigt. Dass nicht jedes Projekt, das vor drei Monaten als Reaktion auf die Pandemie ins Leben gerufen worden ist, von Beginn an rund läuft, ist kein Problem - denn vieles von dem, was wir heute über Corona wissen, war damals unbekannt. Wenn aber der Eindruck entsteht, dass eine Aktion mehr als kopfloser Schnellschuss daherkommt anstelle eines überlegten Hilfeversuches, dann ist das sehr wohl ein Problem. Und einen solchen Eindruck kann man bei der pastoralen Corona-Einsatzgruppe des Ordinariats durchaus gewinnen.

Es ist ja nun einmal so: Bei wem sich ein schwerer Verlauf von Covid-19 einstellt, der wird im Krankenhaus behandelt. Um dort mehr Kapazitäten zu schaffen, wurden nicht akut notwendige Operationen verschoben, in Ebersberg sogar eine Notfallklinik in der Turnhalle der Realschule für zusätzliche 105 Patienten aufgebaut. Dass trotzdem kein Platz mehr selbst für schwer Erkrankte und Sterbende ist und sie in ihren eigenen vier Wänden bleiben müssen - nahezu völlig unwahrscheinlich. Also: In häuslicher Quarantäne befinden sich diejenigen mit milden oder gar keinen Symptomen. Ist es notwendig, in solchen Fällen Seelsorge durch einen persönlichen Kontakt zu leisten? Nein. Nicht vergessen werden darf, dass Seelsorge auch telefonisch möglich ist. Das kann und darf auch während Corona genutzt werden, wie man am Krankenhaus-Seelsorger Christoph Diehl sieht, der seit März seinen Job hauptsächlich über das Telefon erledigt.

Und auch die Zahlen sprechen für sich: Selbst zum Höhepunkt der Krise gab es etwa zehn Einsätze pro Woche, wie das Ordinariat sagt. Bei 1,67 Millionen Katholiken im Bistum entspricht das 0,0006 Prozent, die das Projekt in Anspruch genommen haben. Jetzt sind es bis zu zwei Fälle pro Woche, also 0,0001 Prozent. Das sind ziemlich viele Nullen nach dem Komma.

Dass die Arbeit der Einsatzgruppe eine kaum sichtbare Hilfe darstellt, war absehbar. Die Ressourcen des Ordinariats wären an anderer Stelle sinnvoll investiert und gut gewesen. Warum, um nur ein Beispiel zu nennen, stampft die Poinger Pfarrei alleine einen Youtube-Kanal aus dem Boden, um mit den Gläubigen aus der Gemeinde in Verbindung zu bleiben? Warum hat das Ordinariat kein digitales Konzept entworfen und den Pfarreien Hilfestellung angeboten? So ist es nun reine Glückssache, ob man einer Pfarrgemeinde angehört, in der ein paar Digital Natives vorhanden sind, um solche Projekte voranzutreiben. Die sicherlich gut gemeinte pastorale Einsatzgruppe bleibt damit eben genau das: Gut gemeint. Aber gut gewesen wäre etwas anderes.

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