Kommentar:Geld spielt keine Rolle

Die Behauptung, dem Grafinger Stadtrat sei die Situation junger Eltern und klammer Familienkassen egal, ist freilich vermessen. Ob die Mitglieder deren Perspektive jedoch nachvollziehen können, ist eine berechtigte Frage

Von Thorsten Rienth

Wer seinen Blick durch den Grafinger Stadtrat schweifen lässt, sieht zufriedene Leute. Sie arbeiten als Ärzte, Unternehmer, Architekten, Berater, Lehrer oder Rektoren. Sie sind gesegnet mit abbezahlten oder solide durchfinanzierten Häusern. Bei einigen kommen Mieteinnahmen hinzu oder attraktive Einträge im Grundbuch. Es mag zwei, drei Ausnahmen geben, aber das Gros der Grafinger Stadträte ist finanziell sorgenlos. Und die Chancen stehen gut, dass sich daran bis an ihr Lebensende nicht ändern wird. Man mag es ihnen gönnen. Aber dies ist auch der Hintergrund, vor dem eine breite Stadtratsmehrheit am Dienstag wieder mit den Schultern zuckt und die Kita-Gebühren dort belässt, wohin sie der Sozialausschuss angehoben hat: zwischen zwölf und 25 Prozent über Vorjahresniveau.

Die Behauptung, dem Gremium sei die Situation junger Eltern und klammer Familienkassen egal, ist freilich vermessen. Ob der Stadtrat deren Perspektive jedoch nachvollziehen kann, ist eine berechtigte Frage. Die Antwort sähe wohl anders aus, wäre die Amtszeit von Stadträten zum Beispiel auf zwei Legislaturperioden begrenzt. Denn dann wären die vorderen Listenplätze der Parteien nicht stets von den Platzhirschen, den gut situierten über 50-Jährigen belegt, der Stadtrat zeigte deutlich mehr Fluktuation und es kämen höchstwahrscheinlich mehr Jüngere bei der lokalpolitischen Mitsprache zum Zug. Und die wären an der Lebenswirklichkeit von Familien deutlich näher dran - sei es beim Thema Mieten, Kitaplätze oder MVV.

Die Sitzung machte aber auch eine bedauerliche Unfähigkeit des linken Grafinger Stadtratslagers deutlich: Wann, wenn nicht bei den Kita-Gebühren, wäre es an der Zeit gewesen, sich im Sinne einer gerechteren Sozial- und Familienpolitik einmal zusammenzuraufen? Anstatt die Sache vorab in Gesprächen geschickt einzufädeln, preschte das BfG in der Sitzung mit einem Antrag vor: Die Gebührenerhöhung solle sofort wieder abgeschafft werden. Von welchem Erfolg solche Ad-hoc-Aktionen im Grafinger Stadtrat gekrönt sind, ist hinlänglich bekannt: von keinem. Auch, weil die Grünen ganz andere Sorgen hatten. Für sie galt es, eine Abstimmungsniederlage ihrer Bürgermeisterin aus parteitaktischem Kalkül zu verhindern. Man könnte sagen: auf Kosten der Grafinger Eltern.

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