Kommentar:Gefahr und Gelegenheit

Die Flüchtlingskrise bietet die Chance, die lange verdrängten Herausforderungen beim Wohnungsbau anzugehen

Von Wieland Bögel

Einer gern zitierten Weisheit zufolge, setzt sich das chinesische Wort für Krise aus den Worten Gefahr und Gelegenheit zusammen. Auch die Krise, die Städte und Kommunen derzeit mit der Unterbringung von Flüchtlingen haben, vereint beides. Die Gefahr, dass es angesichts tausender Menschen, für die plötzlich Wohnungen gebraucht werden, zu einem Verteilungswettbewerb zwischen den Armen und den ganz Armen kommt, was auf den sozialen Frieden sicher keine positiven Auswirkungen hätte. Andererseits bietet die Krise aber auch die Gelegenheit, endlich das Problem der Wohnungsnot anzugehen.

Dass man nun gleich drei neue Ortschaften im Ebersberger Forst gründet, wie es SPD-Kreisrat Ernst Böhm im Ausschuss ins Gespräch gebracht hat, ist dabei wohl die extremste und sicher auch die unrealistischste Option. Auch ohne den Ausbau der Forsthöfe zu neuen Landkreiskommunen gäbe es genügend Möglichkeiten, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Voraussetzung ist dabei, dass Landkreis und Kommunen noch enger zusammenarbeiten, als sie es beispielsweise bei der Wohnungsgenossenschaft bereits tun. Diese weiter zu fördern und ihre Kapazität zu erhöhen, wie es Grünen-Kreisrat Reinhard Oellerer vorgeschlagen hat, könnte ein guter Anfang sein - mehr aber nicht. Denn die Genossenschaft kann nicht über Nacht hunderte neue Wohnungen erstellen. Anders sieht es beim Landkreis und seinen Kommunen aus. Diese könnten durchaus als Bauherr in großem Stil tätig werden, wenn auch nicht sofort. Man müsste zunächst ein gemeinsames Vorgehen vereinbaren und eine Rechtsform für die außergewöhnliche Investition finden. Man müsste sich überlegen, wie man das Geld dafür auftreibt, ohne andere wichtige Projekte, wie Bildung, Infrastruktur und Gesundheit, zu vernachlässigen. Man müsste mehr Bauland ausweisen als bisher geplant und man müsste die Bürger überzeugen und beruhigen, denen ihre Gemeinde dadurch zu schnell wächst. Man müsste mehr Schulen, Kindergärten, Krippen und auch Straßen bauen sowie den öffentlichen Nahverkehr erweitern.

Viele dieser Aufgaben stünden in Kreis und Gemeinden in den kommenden Jahren ohnehin an, egal ob nun Flüchtlinge kommen oder nicht. Vielleicht kann man die riesigen Herausforderungen als Gelegenheit nutzen, endlich die großen Lösungen beim Wohnungsbau zu wagen, vor denen man sich in der Vergangenheit immer ein wenig gescheut hat.

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