Kommentar:Gang durch die Geschichte

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Bei der Benennung seiner Straßen macht es sich Ebersberg nicht ganz einfach. Lohnend ist das aber allemal

Von Wieland Bögel

So alt wie der Straßenbau selbst dürfte wohl die Frage sein, wie der neue Verkehrsweg denn einmal heißen soll. Seit der Antike bekannt ist die Benennung nach jenem Ort, wo die Straße hinführt beziehungsweise herkommt. Ebenfalls schon lange Tradition ist es, Straßennamen gewissermaßen als Auszeichnung zu vergeben - wer etwas Großes geleistet hat, bekommt dafür einen Platz auf dem Wegweiser. Was nun aber als Großtat zu bewerten sei, wurde vor allem in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts ein wenig anders bewertet als heute. Eine Folge war, dass manche Leute neue Adressen bekamen, ohne dass sie je den Umzugswagen bemühen mussten. Eine andere, dass man, um solche Umbenennungen zu vermeiden, gerne das Schulbuch zurate zog, weswegen es auf Straßenschildern inzwischen vor Tieren, Pflanzen und Bergen nur so wimmelt. Was Harmlosigkeit ebenso garantiert, wie Verwechslungsgefahr. Ein Beispiel aus Ebersberg zeigt, dass es auch anders geht.

Drei neue Straßen sollen zusammen mit dem nächsten Abschnitt des Wohngebiets Friedenseiche entstehen. Und statt des Biologie- oder Erdkundebuches hat man das Geschichtsbuch zur Hand genommen und ehrt drei Persönlichkeiten, die in der Kreisstadt gelebt und auch gewirkt haben. Ein Konzept, das in Ebersberg bereits seit Jahren praktiziert wird. Zwar gibt es auch hier die offenbar unverzichtbaren Reminiszenzen an die Bergwelt. Ein Blick auf den Stadtplan zeigt aber, dass die Ebersberger ihre Ortsgeschichte sehr viel konsequenter bei der Straßenbenennung berücksichtigen, als es in anderen Orten der Fall ist. So sind besonders in den Wachstumsgemeinden des Westens und Nordens zwar interessante Namenskonzepte für neue Wohngebiete entstanden: In manchen heißen alle Straßenzüge nach Blumen, nach Obstsorten, bekannten Komponisten oder auch nach Märchenfiguren. Was bei aller Originalität indes nicht darüber hinwegtäuscht, dass die Namensgeber mit dem Ort, an dem ihre Straße verläuft, wenig bis gar nichts zu tun haben.

Dass das in Ebersberg anders ist, dass hier ein großer Teil der Straßennamen nicht nur einen lokalen Bezug hat, sondern dass dieser auf Zusatzschildern mit biografischen Details auch noch erläutert wird, liegt einerseits an Verwaltung und Stadtrat. Diese sind in der Vergangenheit stets bereit gewesen, den etwas aufwendigeren Weg zum Straßenschild zu gehen. Vor allem aber ist diese besonders Namensfindung mit einem anderen Namen verbunden: Antje Berberich. Die Stadtarchivarin hat es zu einer ihrer zahlreichen Aufgaben gemacht, dass ein Gang durch die Straßen Ebersbergs zugleich an vielen Stellen zu einem Gang durch seine Geschichte wird.

© SZ vom 29.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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