Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Fähnchen im Wind

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Die Ebersberger Kreis-CSU verweigert beim anstehenden Bürgerentscheid eine Wahlempfehlung. Sie steckt in einem strategischen Dilemma

Von Wieland Bögel

Man mag der CSU durchaus den einen oder anderen Mangel attestieren können - je nach persönlicher politischer Kolorierung mehr oder weniger - mit einem Mangel an Meinung werden die Christsozialen indes normalerweise eher nicht auffällig. Anders gesagt, es gibt eigentlich nichts, bei dem die CSU nicht entweder klar dafür oder ebenso klar dagegen ist, Neutralität ist kein christsoziales Konzept. Um so bemerkenswerter ist es, wenn die CSU dann doch einmal erklärt, bei einer Sache weder dafür noch dagegen zu sein, wie nun bei der ausdrücklich verweigerten Wahlempfehlung beim anstehenden Bürgerentscheid zur Windkraft.

Die Begründung, dass man in der Fraktion bei dem Thema nicht einer Meinung sei, ist mehr als dürftig - schließlich war die überwiegende Mehrheit der CSU-Kreistagsmitglieder stets dafür, oftmals votierte die Fraktion auch einstimmig für Windräder im Forst. Und dass man in der CSU plötzlich die Sympathien für Abweichler entdeckt hätte, ist zwar eine mögliche, aber doch sehr unwahrscheinliche Erklärung. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Nicht-Wahlempfehlung Ausdruck eines strategischen Dilemmas der Ebersberger Kreis-CSU ist. Einerseits weiß man, wie gut sich mit Anti-Windrad-Stimmung politisches Kapital generieren lässt, der Erfinder dieser Strategie vertritt die Partei derzeit im Innenministerium in Berlin.

Andererseits ist man im Landkreis in den vergangenen Jahren auch sehr weit in Richtung Klimaschutz eingeschwenkt, und zwar unter der Ägide gleich zweier CSU-Landräte. Eine Verpflichtung zur Energiewende wurde beschlossen, es gibt die Stelle eines Klimaschutzmanagers, die Energieagentur wurde gegründet und man hat sich zur Klimaschutzregion erklärt - immer mit den Stimmen der CSU.

Doch wie geneigt ist das Wahlvolk dem Klima- und dem Umweltschutz? Und wenn es eine solche Neigung gibt, schließt sie auch den Bau von Windrädern mit ein und wenn ja, auch solchen im Forst? Fragen, die man sich bei der CSU-Führung im Landkreis wohl auch gestellt hat - und offensichtlich hat man keine Antwort darauf gefunden. Aber eine Lösung: Man legt sich nicht fest, und kann dann sagen, egal welches Ergebnis der Bürgerentscheid bringt, zumindest nicht dagegen gewesen zu sein. Die Bewertung dieser Strategie sollte einem überlassen werden, der die Partei kannte und prägte, wie kaum einer vor und nach ihm, Franz Josef Strauß, der einmal gesagt hat: "Wer everybody's Darling sein möchte, ist zuletzt everybody's Depp."

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Quelle:
SZ vom 22.02.2021
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