Mit bis zu 90 Prozent will der Freistaat den Umbau von städtischen Gebäuden in Wohnraum für anerkannte Flüchtlinge fördern. Der Druck muss enorm sein. 90 Prozent sind eine geradezu sagenhaft hohe Förderquote. In der gängigen Städtebaupraxis sind 30 bis 40 Prozent schon nicht schlecht, 50 Prozent bereits richtig gut. Sollte es einmal 60 Prozent geben, ist dies fiskalpolitisch das Höchste der Gefühle. Verständlich also, dass Grafings Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) und der Stadtrat das Umbau-Szenario für die Rotter Straße 8 durchspielen. Kaum eine Sitzung, in der die zur Sparsamkeit gezwungenen Grafinger Stadträte nicht selbst kleine vierstellige Investitionen hinterfragen, streichen, vertagen, verschieben.
Nun geht es um die Sanierung eines alten Schulhauses, die größtenteils bezahlt würde. Ein Vorhaben, mit dem ganz unmittelbarer materieller Grafinger Wert entstünde - inklusive einer sozialen Komponente: Menschen, die in ihrem Leben wahrlich schon genug Ausgrenzung erfahren mussten, könnten in der Grafinger Mitte ein neues Zuhause finden: anerkannte Flüchtlinge. Aber muss eine Stadt zuschlagen, nur weil die Staatsregierung die Geldbündel hochhält? Die Kehrseite des Planspiels ist unübersehbar.
Entstehen in der "RO8" Wohnungen, würde die Übergangslösung von VHS- und Musikschule im "Haschler-Turm" wohl zur langfristigen Bleibe. In der Mitte der Stadt bliebe für die beiden Einrichtungen kein Platz mehr. Ihr neues Zuhause wäre am Stadtrand, schlecht erreichbar für Kinder und Senioren, weit weg vom Bahnhof. Dem Stadtrat droht damit eine gefährliche Debatte: Flüchtlinge versus VHS und Musikschule könnte es schnell heißen. Entweder, oder. Die verschiedenen Strömungen im Stadtrat wusste Bürgermeisterin Angelika Obermayr bislang geschickt zu moderieren. Das aktuelle Planspiel könnte ihre lokalpolitische Nagelprobe werden.