Kommentar:Ein Minimum an Hilfe

Lesezeit: 1 min

Im Gemeinderat stempelt die CSU Asylbewerber zu Konkurrenten ab und trübt den Blick auf das, was diese Menschen sind: Hilfesuchende, die in aller Regel heilfroh sind, überhaupt noch am Leben zu sein.

Thorsten Rienth

Der SPD-Stadtrat Franz Frey machte es nicht anders als früher am örtlichen Gymnasium. Als es im Grafinger Stadtrat um die Unterbringung von Asylbewerbern ging, griff der frühere Lehrer zum CD-Cover und zitierte: "Welcome to Bavaria" von den Biermösl Blosn. Kurz zusammengefasst geht es in dem Stück darum, dass Amerikaner in Bayern freilich herzlich willkommen sind. Afrikaner sich aber doch bitte - und das ist gelinde übersetzt - schleunigst wieder schleichen sollen.

Was vor Schülern klappte, funktionierte auch vor Stadträten. Ein so dermaßen entschiedenes Gremium sahen die Zuhörer wahrlich selten: Ein solches Szenario etwa in Grafing? Niemals! Selbstverständlich müsse die Stadt ihre leerstehenden Wohnungen als mögliche Asylbewerberquartiere anbieten - das waren die Reaktionen. Ottilie Eberl (Grüne) machte daraufhin die Probe aufs Exempel. Der Regierung ein paar leere Wohnungen anzubieten, sei ja eine leichte Übung. Courage zeige die Stadt aber, wenn sie im gleichen Atemzug die nächsten drei frei werdenden stadteigenen Wohnungen sofort verbindlich als Unterkünfte zusage.

Und schon wurden Bedenken laut. Stimme der Stadtrat dem zu, seien ihm Asylbewerber wichtiger als Grafinger Sozialhilfeempfänger, findet die CSU. Diese Argumentation stimmt traurig. Sie stempelt Asylbewerber zu Konkurrenten ab und trübt den Blick auf das, was diese Menschen in Wirklichkeit sind: Hilfesuchende, die in aller Regel heilfroh sind, überhaupt noch am Leben zu sein.

Ein paar leere Wohnungen als Asylbewerberunterkünfte anzubieten, ist nun wirklich nichts, was die Grafinger Stadträte zu Gutmenschen macht. Alles andere wäre schlicht beschämend gewesen. Die eine zusätzliche Wohnung anzubieten, ist natürlich löblich - aber gleichzeitig das Mindeste. Um die Selbstlobeshymnen auf die, ach so große, Grafinger Humanität zu rechtfertigen, hätte es schon einige Wohnungen mehr gebraucht.

© SZ vom 10.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: