Kommentar:Die Stunde des Quereinsteigers

Landratswahl offenbart das zunehmendes Desinteresse am herkömmlichen Betrieb der Kommunalpolitik

Christian Hufnagel

Die herkömmlichen Kommunalpolitiker werden sich Gedanken machen müssen, ob sie die Menschen noch wirklich erreichen und ob ihre ewig gleichen Verhaltensmuster nicht zunehmend ins Leere greifen. Vor Wahlen eine Hyperaktivität entwickeln, plötzlich in jedem Winkel des Landkreises auftauchen, um Flyer und Rosen zu verteilen, und sich als Höhepunkt einen Promi einladen, das alles kann das offensichtliche Desinteresse am politischen Geschehen im unmittelbaren Lebensumfeld der Bürger nicht mehr überdecken.

Auf zweifache Weise macht dies der vergangene Sonntag offensichtlich: Weit weniger als die Hälfte aller wahlberechtigten Landkreisbürger konnten sich dazu durchringen, ihre Stimme für einen neuen Landrat abzugeben. Ein Sonntagsausflug am ersten Frühlingstag scheint eben wichtiger zu sein, in dieses Vergnügen ist nicht einmal ein Spaziergang zum Wahllokal zu integrieren. Und damit zementierten die Ebersberger die historisch niedrigste Beteiligung bei einer kommunalen Entscheidung im Landkreis - mit 42,45 Prozent.

Das eigentliche Ergebnis wiederum drückt ebenfalls eine gewisse Verdrossenheit an den gewohnten Schemata aus. Ein anerkannter und angesehener Berufspolitiker schafft es - erstmals seit 35 Jahren - für die CSU nicht, im ersten Durchgang eine absolute Mehrheit zu erzielen. Robert Niedergesäß muss vielmehr nun in ein Duell mit einem sogenannten Quereinsteiger. Einem erfolgreichen und innovativem Bauunternehmer, der mit seiner intellektuellen Hemdsärmlichkeit zweifellos seinen versprochenen "Neuanfang" erfolgreich suggerieren konnte. Zumindest in dem Maße, dass Ernst Böhm zugleich der SPD mit 32,18 Prozent ein nie dagewesenes Ergebnis bescherte. Ein Erfolg, der aber eben nicht seiner Parteizugehörigkeit zuzuschreiben ist, sondern seiner Persönlichkeit. Dass dahinter die beiden anderen Mitbewerber und arrivierten Kommunalpolitiker von Grünen und Freie Wählern nicht mehr als respektable Ergebnisse erzielt haben, fügt sich in den Charakter dieser Landratswahl. In zwei Wochen nun wird sich zeigen, ob dieser seine Bestätigung oder gar Fortsetzung findet.

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