Kommentar:Die Mauer ist kein Thema mehr

Den Antragstellern zum Grafinger Denkmal-Abriss bleibt nun nicht mehr viel anderes übrig, als eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Bürgermeister Christian Bauer einzureichen

Von Thorsten Rienth

Insgesamt 13 Grafinger Stadträte haben einen Antrag eingereicht. Dabei ist es unerheblich, ob sie das Rathaus rosa anmalen lassen wollen (oder wie die CSU vor zwei Jahren einen Teil der Rotter Straße weiß-blau). Oder ob die Stadt beim nächsten Volksfest Freibier für alle spendieren solle. Oder ob der Bauhof das umstrittene Mauerdenkmal im Stadtpark wieder abreißen möge. Dem ist so, weil die Geschäftsordnung des Grafinger Stadtrats nicht zwischen vernünftigen und unvernünftigen Anträgen unterscheidet. Zum einen, weil eine solche Bewertung stets im Auge des Betrachters liegt. Zum anderen, weil die kommunale Selbstverwaltung und Selbstbestimmung gerade in Bayern als hohe Güter gelten. Die Geschäftsordnung stellt zu dem Prozedere fest, wie Stadtratsanträge auf die Tagesordnung kommen: "Eine materielle Vorprüfung findet nicht statt." Was zählt ist der form- und fristgerechte Eingang. Dieser ist beim Antrag zum Abriss des Denkmals unstrittig.

Dennoch ließ ihn Bürgermeister Christian Bauer (CSU) nicht zur Debatte zu. War es sein Ziel, damit das aus Sicht der CSU leidige Mauer-Thema aus der Diskussion zu streichen, dann hat er es erreicht. In der Tat geht es jetzt nicht mehr um die Mauer. Sondern ums Selbstverständnis eines Stadtrats. Und um sein unumstößliches Recht, all jene Themen auf die Tagesordnung zu setzen, die das Gremium für wichtig erachtet - auch dann, wenn ein Bürgermeister darauf gerade keine Lust hat. Entstanden ist der Eindruck allemal.

Der Grafinger Bürgermeister leitet aus dem November-Beschluss für einen Mauerdenkmal-Arbeitskreis eine "Nichtzuständigkeit" des Stadtrats für das Denkmal ab. Wie aber kann ein lediglich informell tagender "AK" ein kommunalrechtlich fest verankertes Gremium wie einen Stadtrat ausstechen? Zur Antwort auf die Frage tut auch nichts zur Sache, dass der AK nun - drei Monate nach seiner Gründung - eilig einberufen wird.

Paragrafen von Geschäfts- oder Gemeindeordnungen in seinem Sinne auszulegen, ist das gute Recht eines Bürgermeisters. Genauso ist es aber auch das gute Recht des Stadtrats, die Rechtmäßigkeit solch strittiger Entscheidung überprüfen zu lassen. Zuständig hierfür ist die Rechtsaufsicht im Landratsamt. Das Mittel dazu lautet: Dienstaufsichtsbeschwerde. Jetzt, wo die Angelegenheit zum Machtspiel zwischen Bürgermeister und Stadtrat eskaliert ist, können die Antragssteller praktisch gar nicht mehr anders, als eine solche auch einzureichen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: