Kommentar:Die ewige Zwickmühle

Karriere und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bekommen, ist schwierig genug. Doch dann nerven auch noch unterschwellige Vorwürfe, man wolle nicht das Beste für das Kind

Von Alexandra Leuthner

Seit 2013 das Recht auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren eingeführt wurde, stehen Kommunen und Kreise unter enormem Druck, genug Plätze zur Verfügung zu stellen. Auch im Landkreis Ebersberg ist das nicht anders. Im Oktober 2015 war, Statistiken des Landratsamts zufolge, der Unterbringungsbedarf in sechs Gemeinden nicht gedeckt. Da wäre es nachvollziehbar, dass man bei den zuständigen Stellen nicht gerne freie Kapazitäten von Tagesmüttern an Kinder vergeben möchte, die jünger als ein Jahr und damit noch ohne Rechtsanspruch sind. Den Gedanken könnte man durchaus hinter dem Anruf aus der zuständigen Abteilung bei einer Zornedinger Familie vermuten, der nahe gelegt worden ist, ihr Kleinkind nicht schon mit sechs Monaten zu einer Tagesmutter zu geben.

Verständlich ist aber dennoch die Empörung der jungen Mutter, die nach einem halben Jahr Pause und gemeinsamer Elternzeit mit dem Vater wieder arbeiten möchte. Wer jemals versucht hat, sich als Freiberufler einen Kundenstamm aufzubauen, weiß, wie schnell einen die Leute vergessen, wenn man nicht präsent ist, von den fehlenden Einnahmen mal abgesehen. Empört ist die Mutter, die ihr Kleinkind einer erfahrenen Tagesmutter für zehn Wochenstunden geben möchte, aber nicht nur über den Einspruch des Jugendamts, sondern auch über den impliziten Vorwurf, dem eigenen Kind zu schaden - und das ist für Mütter ja nichts Neues.

In der Zwickmühle zwischen Kindern und Beruf können sie kaum etwas richtig machen. Arbeiten sie zu viel, fehlt die Zeit für die Kinder, arbeiten sie zu wenig, fehlt sie für den Job, und die kinderlosen Kollegen ziehen flugs an ihnen vorbei. Schlimm genug, mit dem Zwiespalt zwischen Verantwortungsgefühl auf der einen, Verdienst und Karriere auf der anderen Seite leben zu müssen, der sich wohl nur durch den Verzicht auf Kinder vermeiden lässt. Das aber will die Gesellschaft ebenso wenig wie sie die Arbeitskraft gut ausgebildeter Frauen missen möchte. Gerade die aber haben oft auch noch unregelmäßige Arbeitszeiten und es noch schwerer, sich einzupassen ins Terminkorsett aus Kindergarten, Schule und Hausaufgaben.

Horte, Mittagsbetreuungen oder Kinderkrippen nehmen in aller Regel für fünf Tage auf oder gar nicht, Kindergärten bieten immer noch zu unflexible Buchungszeiten. Schwierig genug für solche Mütter ist es also, jemanden zu finden, dem sie ihre Kinder mit gutem Gewissen überlassen können. Ihnen noch zusätzlich ein schlechtes Gewissen zu machen, ist wirklich das Letzte, was sie gebrauchen können.

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