Kommentar:Die ewige Schlacht an der Sempt

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In Anzing finden sich viele Einheimische von den Gewerbegebiets-Plänen überannt. Anstatt Überlegenheit zu demonstrieren, sollte sich die Gemeinde vielleicht mal mit den Zweiflern zusammenzusetzen

Von Jessica Morof

Wer kennt nicht die Geschichten um tapfere indianische Krieger, die sich verzweifelt - und meist aussichtslos - gegen die Übermacht der Einwanderer zur Wehr setzen? Wie den Sioux-Häuptling Sitting Bull, der seine Leute verbittert gegen überlegene Gegner verteidigen will, aber am Ende viele ins Verderben stürzt. Es sind Geschichten, bei denen man denkt: Natürlich hat er recht, aber hätte er nicht lieber einige Leben retten sollen? Es lieber sein lassen?

Die gleiche Frage kann man sich im Dauerstreit um das geplante Gewerbegebiet in Anzing stellen. Seit beinahe zwei Jahren beschäftigt sich der Gemeinderat inzwischen mit der Frage, wo ein zusätzliches Gewerbegebiet für kleine und mittelgroße lokale Unternehmen hinkommen soll. Seitens der Gemeinde mit eindeutigem Ergebnis: Demnach kann es nur den Standort nördlich des Friedhofs geben. Müsste der Arbeitskreis das Kriegsbeil also nicht endlich begraben und es einfach gut sein lassen? Ruhe einkehren lassen auf dem Schlachtfeld an der Sempt? In diesem Fall nicht. Denn wie auch bei den Indianern ist einer der Gründe für das Weiterkämpfen das Gefühl, nicht ernst genommen, nicht gehört zu werden. Das Gefühl, dass über die eigenen Köpfe hinweg entschieden wurde, ohne Rücksicht auf Mensch und Natur.

Dass der gefundene Standort der einzig mögliche ist, mag zwar sein. Trotzdem lässt die Vorgehensweise der Gemeinde einen fahlen Beigeschmack: Zuerst sollte die Entscheidung überhaupt nicht öffentlich gemacht werden; nur aufgrund eines Formfehlers wurde sie in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung besprochen. Zudem sollte der Platz am Friedhof für kleine ortsansässige Unternehmen verwendet werden; erst später kam heraus, dass der Discounter dort einen großen Neubau plant.

Dass eine solche Salamitaktik nicht für Jubelrufe in der Bevölkerung sorgt, dürfte klar sein. Dass sich viele überrannt fühlen, auch. Da wäre es von Seiten der Gemeinde vielleicht angebracht, die Friedenspfeife herauszuholen. Sich mit den Zweiflern zusammenzusetzen und - anstatt Überlegenheit zu demonstrieren und einfach weiterzumachen - die Probleme aufzuarbeiten. Damit aus "inakzeptablen Begründungen" vielleicht einmal Verständnis wird und an der Sempt endlich wieder Frieden einkehren kann.

© SZ vom 17.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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