Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge in Moosach:Der zweite Schritt vor dem ersten

Bevor die Moosacher bei einem Bürgerentscheid in zwei Wochen über die Unterbringung von Flüchtlingen in der Gemeinde entscheiden, sollten sie erst einmal klären, wie viele sie überhaupt aufnehmen wollen.

Von Carolin Fries

Moosach will sich also solidarisch zeigen und den Landkreis bei der Unterbringung von Asylbewerbern stärker unterstützen. Doch wie zeigt sich eine Kommune solidarisch, wenn wöchentlich Busse vor dem Landratsamt halten und zig Menschen aussteigen, denen man am Abend eine warme Unterkunft, ein Bett und eine Mahlzeit vorsetzen muss. Gewiss, aktuell hat sich die Lage entspannt, doch noch immer sucht der Landkreis angestrengt nach Möglichkeiten, um die Turnhallen räumen zu können.

Die Frage nach der Verbundenheit der Kommunen ist in dieser Angelegenheit schon lange keine rein menschliche mehr, sondern eine mathematische: Wie viele habe ich schon, wie viele muss ich noch? Und auch: Warum hat mein Nachbar noch nicht und aus welchem Grund? Nun, der Ruf nach Solidarität gewährt Gemeinden einen Freiraum, den sie nicht kennen, sind sie doch den Umgang mit klar definierten Gesetzen und Regelungen gewohnt.

Statt Baulösungen müsste erst ein Konsens gefunden werden

Hier muss jede Kommune für sich entscheiden, jeder Bürgermeister, jeder Gemeinderat sich fragen: Wie viele Asylbewerber wollen wir aufnehmen, welche Flächen, welche Gebäude bieten wir dem Landratsamt an? Diese Frage hat Moosach für sich noch nicht beantwortet. Bürgermeister Eugen Gillhuber sagt, mit 15 Asylbewerbern im Ort zeige man sich solidarisch, sein Stellvertreter Willi Mirus will 46 Personen aufnehmen, die Initiative Sackmannhaus kalkuliert nach dem Königsteiner Schlüssel mit 17 Personen. Anstatt diese zentrale Frage zu klären, streitet man über die Frage der Unterbringung - zentral oder dezentral. Man hat den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht.

Ob zentral oder dezentral - beide Konzepte, über die die Moosacher in zwei Wochen beim Bürgerentscheid abstimmen werden, bieten gute Voraussetzungen für eine gelungene Integration. Doch viel wichtiger als die Größe und Bauweise der Häuser wäre es, einen Konsens zu finden, welche Aufgabe man als Gemeinde zusammen mit den Bürgern gemeinsam stemmen will. Dann klappt Integration gewiss - ganz gleich, für welche Zahl man sich entschieden hat.

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Quelle:
SZ vom 06.04.2016/moje
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