Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Der Elefant meldet sich

Weniger Geld, gewaltige Aufgaben: Dass das nicht zusammenpasst, zeigt sich jetzt deutlich. Die Kreispolitiker werden entsprechend reagieren müssen.

Von Wieland Bögel

Der Elefant ist nicht nur in südlicheren Gefilden zuhause, sondern auch in einigen Redewendungen. Hierzulande sucht er gerne den Porzellanladen heim, im angelsächsischen Sprachraum steht er einfach so im Raum, und bildet so die Metapher für ein Problem, das alle sehen aber niemand ansprechen will. Geht es um den Kreishaushalt war das Rüsseltier bislang immer in letzterer Funktion anwesend - das zerbrochene Geschirr dürfte aber demnächst folgen.

Konkret geht es immer um die gleiche Frage: Hat der Landkreis genügend Einnahmen für sein ambitioniertes Investitionsprogramm? Die Antwort der Kämmerei ist seit Jahren ein klares "Nein", verbunden mit der dem angelsächsischen Elefanten gleichenden Erkenntnis, dass die Kreisumlage steigen muss. Ein Thema, das die Mehrheit im Gremium bislang stoisch ignorierte und, um im Bild zu bleiben, den Elefanten sogar noch mästete, indem die Umlage ständig weiter gesenkt wurde. Nun ist ein erstes lautes Trompeten zu hören, das es den Kreistagsmitgliedern etwas schwerer machen dürfte, die Existenz des Umlagen-Elefanten zu ignorieren: Die Kämmerei hat ausgerechnet, wie viel Geld man braucht und um wie viel die Kreisumlage dafür steigen muss. Ganz in der bewährten Tradition der Elefantentarnung hatte man sich zwar noch vor der Debatte zur ersten Lesung darauf verständigt, nicht über das Ergebnis dieser Berechnung zu debattieren. Aber sehr lange wird das nicht mehr möglich sein.

Und hier kommt die Stelle mit dem zerbrochenen Porzellan: Denn um das Problem zu lösen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Erstens, der Landkreis streicht seine Ausgaben auf jenes Minimum zusammen, das aus den Einnahmen ohne höhere Kreisumlage zu leisten ist. Oder zweitens, die Umlage wird auf jenes Niveau angehoben, das Ausgaben erlaubt, wie sie die aktuelle Beschlusslage vorsieht. Dazwischen gibt es natürlich verschiedene Abstufungen, etwa ein bisschen mehr Kreisumlage und ein bisschen weniger und langsamer investieren. Dass - vielleicht noch nicht heuer - um beides im Kreistag lange und intensiv gerungen werden wird, darf als sicher gelten.

Falls man indes zu keiner Einigung gelangt, kann ein Blick in die Bayerische Landkreisordnung eventuell helfen. Darin steht, ein Landkreis "hat die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Einnahmen (...) aus Steuern und durch die Kreisumlage zu beschaffen". Ob dies auch ordnungsgemäß geschieht, prüft die zuständige Rechtsaufsicht, in diesem Fall das Innenministerium. Dessen Befugnisse durchaus erheblich sind: "Bei Nichterfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben oder Verpflichtungen kann die Rechtsaufsichtsbehörde den Landkreis zur Durchführung der notwendigen Maßnahmen auffordern", so die Landkreisordnung weiter. In letzter Konsequenz kann das Ministerium sogar "die notwendigen Maßnahmen an Stelle des Landkreises verfügen und vollziehen. Die Kosten trägt der Landkreis." Dieser sollte sich also möglichst bald mit seinem Elefanten befassen, bevor dies andere tun - und noch eine Rechnung dafür schreiben.

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Quelle:
SZ vom 30.11.2021
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