Kommentar:Den Beschluss weiter denken

Gut, dass sich die Stadt Grafing bei "Städte Sicherer Häfen" beteiligt. Mitnichten aber ist es um die Willkommenskultur dort ausschließlich positiv bestellt

Von Thorsten Rienth

Nein, der Beitritt zum Bündnis "Städte Sicherer Häfen" ist nicht nur Symbolik. Er bedeutet die Zusage, vorm Ertrinken Gerettete über den bislang geltenden Schlüssel hinaus aufzunehmen - für den Fall, dass es diese zusätzlichen Kontingente einmal geben sollte. Die Kommunen wollen damit einen irrwitzigen Versuch der Europäischen Union aushebeln: Mit gestoppter Seenotrettung die Gefahr einer Überfahrt zu steigern, um vor Flucht abzuschrecken.

Was die Kommunen des Bündnisses damit ausdrücklich nicht aushebeln: Asylverfahren. Dass nach der Unterbringung selbstverständlich die Prüfung nach dem Bleiberecht folgen muss, erklären Gründer und Organisatoren des Bündnisses bei jeder Gelegenheit. Dass sich Grafing an dem Bündnis beteiligt, ist also lobenswert.

Mitnichten aber ist es um die Willkommenskultur der Grafinger so ausschließlich positiv bestellt, wie es die Stadt gerne darstellt: Als vor drei Jahren Beratungen über den Neubau einer Flüchtlingsunterkunft am neuen Grafinger Bauhof liefen, folgte eine Welle aus Protest. "Im Winter ist es dunkel. Das liegt genau am Schulweg. Das macht Angst" - mit diesen Worten unterstellte ein Schammacher möglichen neuen Nachbarn pädophiles Gefahrenpotenzial. Der Unternehmer Martin Rothmoser plante eine kleine Unterkunft in der Mühlenstraße. Nachbarn bedrängten ihn derart massiv, dass der Mann seinen Bauantrag wieder zurückzog.

Genau deshalb wäre am Dienstag im Stadtrat die Debatte wichtig gewesen, was der Bündnis-Beitritt in der Konsequenz bedeutet. Wie gedenkt die Stadt zu reagieren, wenn Migrationszahlen wieder steigen? Wo befinden sich Kapazitäten zur Unterbringung? Welche neuen lassen sich kurzfristig schaffen? Statt dies zu debattieren, zofften sich die Stadträte Heinz Fröhlich (BfG) und Max Graf von Rechberg (CSU) lieber darüber, ob es sich hierbei um einen Schaufensterantrag handelt - oder nicht.

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