Kommentar:Das Werkzeug fehlt

Das Ansinnen, Pflegeheime besser zu kontrollieren, ist richtig, aber die Umsetzung dürfte aus rechtlichen und praktischen Gründen schwierig werden

Von Wieland Bögel

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser." Dieser Spruch wird Lenin zugeschrieben, und zumindest in diesem Punkt kann man dem Erfinder des Staatssozialismus nur beipflichten. Allerdings gibt es auch Fälle, in denen Kontrollen geradezu sozialistische Ergebnisse zeitigen - etwa bei der Bewertung von Pflegeeinrichtungen durch die Krankenkassen. Zu vermuten, dass irgendetwas nicht ganz stimmen kann, wenn nahezu alle Geprüften mit einem "Sehr Gut" abschneiden, dazu muss man weder Pflegeexperte noch Statistiker sein. Insofern ist die nun vom Sozialausschuss des Kreistages auf den Weg gebrachte zusätzliche Überprüfung der Pflegeeinrichtungen im Landkreis sinnvoll. Ein Mal im Jahr soll es künftig einen Bericht zur Situation bei den einzelnen Anbietern geben - das klingt zunächst gut. Weniger gut sind allerdings die Erfolgsaussichten, streng genommen liegen diese ziemlich genau bei Null.

Das beginnt schon bei der Definition des Prüfauftrages, wie auch im Ausschuss - wenn auch ohne Konsequenzen für den Beschluss - richtig angemerkt. Welche Kriterien sollen untersucht und wie gewertet werden? Ist es schon gute Pflege, wenn die berühmt berüchtigte SST-Regel eingehalten ist, wonach die Heimbewohner satt, sauber und trocken zu sein haben? Oder sollen auch Unterhaltungsprogramm, gute Küche und ordentlich geführte Buchhaltung bewertet werden? Genau dies ist ja ein großer Kritikpunkt am Bewertungssystem der Krankenkassen: dass sich hier Mängel bei der Pflege etwa durch hervorragenden TV-Kabelempfang kompensieren lassen. Noch viel schwieriger wird es bei der praktischen Umsetzung. Wer soll denn die Kontrollen vornehmen und wie? Das Landratsamt hat in einer Stellungnahme bereits klargemacht, dass der Aufwand einer umfassenden Überprüfung der Pflegeeinrichtungen nicht zu schaffen ist. Hinzu kommt ein rechtliches Problem: Die Landratsämter dürfen im Rahmen der Heimaufsicht zwar prüfen, die Berichte aber nicht veröffentlichen - nicht einmal in einer nicht öffentlichen Sitzung eines Kreisgremiums und schon gar nicht für jeden Bürger. Letztlich ist der Beschluss daher eher eine laut geäußerte und durchaus zutreffende Kritik am Fehlen von Transparenz in der Pflege, als ein Werkzeug, dieses Problem zu beheben. Wer sich mehr Transparenz und ehrlichere Bewertungen wünscht, muss ein paar politische Ebenen weiter oben ansetzen. Hier hätte der Kreistag immerhin gute Verbindungen, gehören ihm doch je zwei Mitglieder des Land- und des Bundestages an. Vielleicht könnten die Ebersberger ihren Ratskollegen ja einen Auftrag mitgeben nach München und Berlin - damit irgendwann auch in der Pflege wieder gilt, dass es einen Unterschied macht, ob kontrolliert oder vertraut wird.

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