Kommentar:Darf einer, dürfen alle

Gegner und Befürworter der Projekte im Ebersberger Forst nutzen das selbe Argument - nur unter umgekehrten Vorzeichen

Von Wieland Bögel

Das Problem des notwendigen Übels war und ist stets der Nachweis ebenjener Notwendigkeit. Was als solcher zu gelten hat, fällt je nach Sichtweise höchst unterschiedlich aus, wie sich gerade in der Debatte um den Schutz des Ebersberger Forstes zeigt.

Interessanterweise sind sich die beiden Extrempositionen in einem Punkt sehr nahe. Sowohl diejenigen, die einen kompletten und dauerhaften Schutz des Forstes vor jedwedem Eingriff fordern, wie auch jene, die am meisten Ausnahmen dafür zulassen wollen, könnten sich denselben Spruch auf die Transparente drucken lassen. Er lautet: "Darf einer, dürfen alle." Der Unterschied ist nur, dass der Satz für die einen bedrohlich und für die anderen nach Zuversicht klingt. So warnt die Schutzgemeinschaft Ebersberger Forst - deren Maximalforderung sich mittlerweile auch die Umfahrungsgegner in Schwaberwegen angeschlossen haben - schon lange davor, einem ersten Eingriff in den Forst würden viele weitere folgen. Umgekehrt hoffen die Umfahrungsbefürworter geradezu auf eine solchen Präzedenzwirkung. Sie argumentieren ähnlich wie die extreme Gegenseite, nur eben unter der Prämisse ihrer eigenen Bedürfnisse: Dass ein erster Eingriff in den Forst, die Windräder, einen zweiten rechtfertigt - den von den Straßenanliegern erhofften Bau einer Umfahrung.

Etwas in die Zwickmühle geraten ist dabei die "Ja-Aber-Fraktion" aus Grünen und Bund Naturschutz. Deren Markenkern ist es ja schon immer, dass Flächenversiegelung im Allgemeinen und Straßenbau im Speziellen ein Übel, und allermeistens ein unnötiges, ist. Insofern verwundert es nicht, wenn sich Ökopartei und Naturschutzverband gegen die Schwaberwegener Umfahrung aussprechen. Umgekehrt haben sich beide auch den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben - was den Umstieg auf regenerative Energiequellen beinhaltet, wie etwa Windkraft. Ebenfalls grundsätzlich nachvollziehbar ist, bei einer Kollision beider Anliegen - Flächenverbrauch kontra Klimawandel - einen Kompromiss zu finden, eben das notwendigere Übel zu wählen, was für Grüne und BN im konkreten Fall der Flächenverbrauch ist.

Dass die Vertreter des "Darf einer, dürfen alle" nun von beiden Seiten auf diesen Kompromiss eindreschen, ist wenig überraschend - beide sind in der Vergangenheit schließlich nicht gerade durch besondere Kompromissbereitschaft aufgefallen. Etwas Trost für Grüne und Bund Naturschutz kann vielleicht die Erkenntnis bieten, dass sich das Motto ihrer Kritiker letztlich auch in ihrem Sinne auswirken könnte: Denn dass die Straße gebaut wird, ist so gut wie sicher, für die Windräder gilt das derzeit bei weitem nicht. Gut möglich also, dass sich in einigen Jahren die Windparkbefürworter auf die Umgehungsstraße berufen, mit dem Argument: "Darf einer, dürfen alle."

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