Kommentar:Besser Debatte als Desinteresse

Viel zu selten interessieren sich Bürger für das, was in Stadt- und Gemeinderäten passiert. Ein Ratsinformationssystem, wie es nun Ebersberg plant, könnte den Zugang erleichtern

Von Wieland Bögel

Fällt das Wort "Politik", dann oft mit dem Anhängsel "Verdrossenheit". Beklagt wird dann etwa eine niedrige Wahlbeteiligung oder ein allgemein geringes Interesse an politischen Vorgängen, egal ob nun auf kommunaler oder nationaler Ebene. Als Erklärung - oder Rechtfertigung - muss dann meist herhalten, die Politik sei zu weit entfernt von den Leuten, diese brächten das, was in den Gremien beraten und entschieden werde, nicht mit ihrem eigenen Leben in Zusammenhang. Was aber, folgte man dieser Argumentation, auch und vor allem ein Problem fehlender Informationen wäre. Dass man in Ebersberg nun überlegt, ein Ratsinformationssystem einzuführen, ist daher eine gute Idee.

Wer schon einmal eine Sitzung eines beliebigen Stadt- oder Gemeinderates oder eines Ausschusses besucht hat, kann sich einer Minderheit zurechnen. Meist bleiben die Besucherstühle leer, die wenigen Zuschauer haben in der Regel ein sehr persönliches Interesse an der aktuellen Sitzung. Sei es, weil sie - oder die Nachbarn - bauen wollen, weil die Straße vor ihrem Haus saniert oder nicht saniert werden soll oder weil der Verein, in dem sie im Vorstand sind, einen Zuschussantrag gestellt hat. Nahezu zuschauerfrei laufen dagegen oft Sitzungen ab, bei denen es um Haushalt oder Siedlungsentwicklung geht. Dabei werden dort Dinge vorbereitet, die später ein gewisses Aufreger-Potenzial haben. Wenn dann das große Wohngebiet nebenan kommt oder die Umgehungsstraße nicht, sich die Sanierung von Sportplatz, Schule oder Innenstadt in die Länge zieht, hört man wieder die Klagen über die angebliche Ferne zwischen dem Leben der Bürger und der Politik. Schnell ist dann auch die Verdrossenheit wieder da, die derzeit von einigen Scharlatanen munter angeheizt wird, mit Sprüchen wie: "Die da oben machen ja eh, was sie wollen."

Auch wenn man auf kommunaler Ebene kaum von "oben" sprechen kann - was "die da" im Stadtrat und in den Ausschüssen eigentlich so machen, sollte trotzdem stärker gezeigt werden. Ein Ratsinformationssystem, wo sich vor einer Sitzung ganz einfach anschauen lässt, worüber das Gremium beraten wird und man hinterher ausführlich nachlesen kann, was beschlossen wurde, kann da durchaus hilfreich sein. Wie ausführlich dies geschehen soll, ist im Stadtrat umstritten. Einige befürchten, veröffentlichte man zu früh zu viel, könnte dies zu Streit über Dinge führen, bevor überhaupt etwas entschieden sei. Ein Risiko, das die Stadt eingehen sollte, eine rege Debatte zuvor ist besser als Desinteresse und Frust hinterher.

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