Kommentar:Beispielhafte Bürgerbeteiligung

Es ist erfrischend, mit welcher Sachlichkeit sich die Anwohner gegen das Neubaugebiet in der Dobelklause wehren. Aber auch die Antwort der Stadt ist gut durchdacht

Von Thorsten Rienth

Das englische Akronym Nimby gibt es schon lange, aber so richtig bekannt wurde es erst mit der Energiewende. Es steht für "Not in my backyard", frei übersetzt: Nicht in meinem Garten. Das Windrad zum Beispiel oder die Freiflächenphotovoltaikanlage. Die Bürgerfragestunden vor den Grafinger Stadtratssitzungen sind voll von allerlei weiteren Situationen, auf die das Akronym zuträfe. Änderungen bei den Wertstoffannahmestellen sind dabei ein Dauerbrenner. Jeder hätte sie gerne in der Nähe. Im Sommer soll es aber bitte bei jemandem anderen müffeln.

Umso erfrischender, mit welcher Sachlichkeit sich die Anwohner um Gerhard Weisl entlang der Pfarrer-Dr.-Zeiller-Straße gegen das Neubaugebiet in der Dobelklause wehren. Wohl gemerkt nicht gegen die Entwicklung des Areals an sich. Sondern gegen die Art der Entwicklung. Anstatt wild drauflos zu poltern, formulieren sie in bester Argumentationsmanier ihre These, erläutern sie und docken dann noch eine Option an, wie sich ihr Kritikpunkt womöglich lösen ließe. Etwa durch eine zweite Tiefgarageneinfahrt oder die Öffnung eines für Autos gesperrten kurzen Abschnitts der Pfarrer-Dr.-Rauch-Straße. So sieht beispielhafte Bürgerbeteiligung aus. Allein der Vorwurf, die Stadt ignoriere mit dem neuen Bebauungsplan Bebauungsdichte und Abstandsflächen im näheren Umfeld ist vermessen. Aber sei's drum, angesichts des so seriös aufbereiteten großen Rests der Eingabe.

Ein kluger Zug ist jener von Bauamtsleiter Josef Niedermaier, die bislang noch vage hochgerechneten Verkehrszahlen von einer professionellen Verkehrsanalyse überprüfen zu lassen. Denn die Erfahrung zeigt, dass der tägliche Autoverkehr von 36 Wohneinheiten weit weniger ins Gewicht fallen dürfte, als die Nachbarschaft denkt. Die Tiefgarage gibt es ja gerade auch deshalb, um etwaigen Parkplatzsuchverkehr zu minimieren.

Grafing wächst, weil Grafing attraktiv ist. Aber wenn alle ein bisschen zusammenrücken, ist noch viel Platz. Diese Maxime der Grafinger Stadtplanung war vor zehn Jahren schon richtig - und sie ist es angesichts rasant steigender Grundstückspreise jetzt umso mehr. Wichtig ist dabei zu wissen: Lediglich beim "Aiblinger Anger" hatte es sich in der jüngeren Vergangenheit um ein von der Stadt neu entwickeltes Baugebiet gehandelt. Alle anderen entstanden auf Arealen, für die bereits Baurecht bestand. Die Stadt griff - wie jetzt auch in der Dobelklause - nicht mit einem Bebauungsplan ein, um Anwohner zu ärgern. Sondern um die Ausmaße zu verhindern, in denen Bauträger bauen, wenn man sie ohne Bebauungspläne bauen lässt.

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