Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Beim Lügen erwischt

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Manche Aussagen von Manfred Schmidt können durch Schriftstücke widerlegt werden. Das lässt auch Rückschlüsse auf seine sonstigen Einlassungen zu

Von Wieland Bögel

Ein Lügner muss ein gutes Gedächtnis haben." Dieses bekannte Zitat des französischen Barockdichters Pierre Corneille sollte sich Manfred Schmidt aufs Sofakissen sticken lassen. Denn was wohl gedacht war als Klarstellung und Rechtfertigung - durchaus verbunden mit der Diffamierung seiner Kritiker als Lügner - lässt den Verfasser selbst nun erneut als Lügner dastehen. Offenbar hat Schmidt inzwischen den Überblick verloren, was er im Rahmen seiner Kandidatensuche wem und wann einmal erzählt - oder geschrieben - hat.

Eigentlich hat es Schmidt ganz geschickt angestellt, die Heimlichtuerei um die Listen, das Nicht-Einladen der potenziellen Kandidaten zur Nominierungsveranstaltung - beides ebenso legal wie ungewöhnlich -, die vorangegangenen Gespräche mit ihnen, die in einem Rahmen stattfanden, dass zur Frage über deren Inhalt nun Aussage gegen Aussage steht. In einem Punkt indes hat Schmidt wohl tatsächlich vergessen, dass es einen schriftlichen Beleg gibt: Wer an einem Mittwoch in einer Mail ans Rathaus jemanden als "an Demenz erkrankt" bezeichnet, den er laut Datum des Bewerberformulars am folgenden Samstag für eine Kandidatur wirbt, kann nicht behaupten, von der Demenzerkrankung des Kandidaten nichts gewusst zu haben. Außer, man ist Manfred Schmidt. Bereits zum zweiten Mal - das erste war in der Gemeinderatssitzung vorvergangene Woche - behauptet er das glatte Gegenteil. Mehr noch: Nachdem er in der Sitzung schon mit dem Schreiben ans Rathaus konfrontiert wurde, erhält er die Behauptung, von der Erkrankung seines Kandidaten nichts gewusst zu haben, in seiner schriftlichen Stellungnahme nicht nur aufrecht, sondern bezichtigt auch noch die Ehefrau des Kandidaten der Lüge.

Das ist nicht nur dreist, es weckt auch begründete Zweifel an den Aussagen, die Schmidt im Rest seiner Stellungnahme tätigt. Aussagen, denen von den Betroffenen der mutmaßlichen Listen-Schwindelei vehement widersprochen werden. Da es hier leider keine E-Mail-Verkehre oder ähnliches gibt, steht zwar weiterhin Aussage gegen Aussage. Allerdings mögen manche an den bekannten Kinderreim denken: "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, wenn er auch die Wahrheit spricht" - der sich sicher auch sehr schön als Stickerei auf einem Sofakissen machen würde.

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Quelle:
SZ vom 27.02.2020
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