Kommentar:Bedenkliche Lücke

Einem Landkreis, der sich die Bezeichnung Gesundheitsregion plus auf die Brust heftet, sollte es peinlich sein, über mehrere Monate hinweg kein Pflege-Beratungsangebot stellen zu können. Es müssen deshalb schnell Überbrückungslösungen her

Von Karin Kampwerth

Im Landkreis Ebersberg gibt es 1500 bis 2000 Menschen, die laut Alzheimergesellschaft an mittelschwerer oder schwerer Demenz leiden. Hinzu kommen Kinder, Partner, Eltern mit Behinderungen, die Unterstützung im Alltag benötigen - geleistet meistens von: Kindern, Partnern, Eltern.

Circa 70 Prozent der Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt, stellt das bayerische Gesundheitsministerium dazu fest. Die Angehörigen, die diese Familienarbeit meist mit viel Engagement und Hingabe auf sich nehmen, wurden in der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE) zurecht einmal als "Deutschlands größter Pflegedienst" bezeichnet. Eine beachtenswerte Leistung, die Menschen Tag für Tag bis an die persönliche Belastungsgrenze bringt, dafür aber Staat und Gesellschaft entlastet. Das Mindeste, was pflegenden Angehörigen zusteht, sollte deshalb die Beratung rund um Versicherungsleistungen, Hilfen wie Essen auf Rädern, Notrufe, Antragsstellung oder zu Helferdiensten sein.

Ein Angebot, das die Caritas im Landkreis viele Jahre vorgehalten und ungezählten Angehörigen dabei geholfen hat, sich im Behördendschungel zurechtzufinden. Vor allem haben die Beraterinnen Maria Sommer und deren Nachfolgerin Christine Deyle die Angehörigen aber auch dabei begleitet, sich der herausfordernden Aufgabe stellen zu können, ein pflegebedürftiges Familienmitglied zu versorgen. Eine nicht zu unterschätzende Hilfe für Menschen, die sich etwa um einen Alzheimerpatienten kümmern. Diese in ihren Symptomen zutiefst verstörende und verunsichernde Krankheit müssen Angehörige verstehen, um nicht selber seelischen Schaden zu nehmen.

Wenn die Caritas diese so wertvolle wie notwendige Beratung nun aus ihrem Programm nimmt, weil das Geld dafür fehlt, mag das aus betriebswirtschaftlichen Gründen nachvollziehbar sein, denn der Verband ist als sozialer Dienstleister längst der Wirtschaftlichkeit verpflichtet. Zudem ist Abhilfe in Sicht: Im Sommer soll ein unabhängiger Pflegestützpunkt mit vier Standorten im Landkreis die Arbeit inklusive der Angehörigenberatung aufnehmen.

Statt freudiger Gesichter bei Landrat, Landtags- und Bezirkstagsabgeordneten sowie Behördenvertretern während der Vertragsunterzeichnung hätte den Beteiligten aber besser das Lachen vergehen sollen. Denn zwischen Ende April, wenn die Caritas ihre Beratung einstellt, und einem bislang nicht näher definierten Termin im Sommer klafft in jedem Fall eine Lücke von mehreren Monaten. Einem Landkreis, der sich die Bezeichnung Gesundheitsregion plus auf die stolze Brust heftet, sollte es peinlich sein, Menschen alleine zu lassen, die das Pech haben, in dieser Zeit die Pflege eines Angehörigen - meist völlig unvorbereitet - übernehmen zu müssen. Mit der Überprüfung von Überbrückungslösungen sollte sich der Landkreis deshalb besser nicht allzu lange Zeit lassen.

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