Kochseminar:Denn edel ist das ganze Tier

Kochseminar: Metzgermeister Jürgen Körber schneidet vom "Schlag" des geschlachteten Rinds Fleischstücke und Innereien ab und zeigt, wie man Teile herauslöst.

Metzgermeister Jürgen Körber schneidet vom "Schlag" des geschlachteten Rinds Fleischstücke und Innereien ab und zeigt, wie man Teile herauslöst.

(Foto: Christian Endt)
  • Bei einem Kochkurs auf Gut Herrmannsdorf im Landkreis Ebersberg zeigen drei Metzgermeister, wie man mit ungewöhnlichen Fleischstücken und Eingeweiden kocht.
  • Dabei legen sie Wert auf die Herkunft und Qualiät des Fleisches und versuchen den Teilnehmern zu vermitteln, wie man ganzheitlich kocht.

Von Rita Baedeker, Glonn

Von den Resten des Rindes, das da am Haken hängt, tropft Blut in eine Blechwanne. Auf Besucher, die mit dem Alltag auf einem Bauernhof oder in einer Metzgerei nicht vertraut sind, wirkt der Anblick erst mal verstörend. Mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Abscheu nimmt man zur Kenntnis, dass dieser Fleischbrocken, bis vor kurzem noch ein lebendiges und fühlendes Wesen, eher an Schmerz und Tod als an ein leckeres Menü denken lässt. Jürgen Körber, Metzgermeister von Gut Herrmannsdorf in Glonn, greift zum Messer und deutet auf Lunge und Nieren. "Sieht das bei unsereinem auch so aus?", fragt eine Frau mit leiser Stimme. "Ja", sagt Körber, "im Prinzip sieht das auch bei uns so aus." Die Runde schweigt einen Moment.

Nein, dieses blutige Schaustück hier hat absolut nichts zu tun mit portionierten, oft in Plastik eingeschweißten Steaks, wie es sie im Supermarkt gibt. Hier in Herrmannsdorf bekommt man alles - Blut, Fett, Sehnen, Luft- und Speiseröhre, Lunge, Zunge, Maul. Der Konzeptkünstler Damien Hirst, der gerne Tierkörper zur Schau stellt, würde es eine Installation nennen. In der Sprache der Metzger heißen die Eingeweide, die hier zu Schulungszwecken hängen, einfach nur "Schlag".

Ein Schnitzel wächst nicht zwischen zwei Brothälften

Die Teilnehmer des Kochseminars mit dem Titel "Fleisch - das ganze Tier" in der Handwerk-Akademie Herrmannsdorf, die bisher geglaubt haben, ein Schnitzel wachse zwischen zwei Brötchenhälften, sehen sich hier mit der Wirklichkeit konfrontiert. Wer Fleisch isst, nimmt hin, dass dafür Tiere getötet werden. Die Frage ist allerdings, auf welche Weise das geschieht, ob Rind, Schaf, Huhn oder Schwein ein gutes Leben und einen sanften Tod hatten, ob sie auf natürliche Art aufwachsen und leben dürfen, in frischer Luft, ohne Stress und mit gesundem Futter, zu dem Antibiotika weiß Gott nicht gehören.

Kochseminar: Auch das Umrühren im Topf kann eine heilige Handlung sein - und alle hören dem Koch gebannt zu.

Auch das Umrühren im Topf kann eine heilige Handlung sein - und alle hören dem Koch gebannt zu.

(Foto: Christian Endt)

An diesem Abend dreht sich in Herrmannsdorf alles um den Fleischgenuss, der nicht ohne Mühe und Reflexion zu haben ist. Die Kochshow ist sozusagen Proseminar zum gleichnamigen Buch von Georg Schweisfurth und Simon Tress. Beide, der eine 55, der andere 31 Jahre alt, sind überzeugt von nachhaltiger Landwirtschaft und fühlen sich nach eigenem Bekunden dem Tierwohl verpflichtet. Simon Tress als Koch und Gastronom auf der Schwäbischen Alb, Schweisfurth als gelernter Metzger, Diplomvolkswirt und Hotelier im Nachbargut Sonnenhausen. Beide sind sich einig, Tierkinder zu verschonen. "Es gibt bei uns keinen Zickleinbraten, kein Kalb und auch kein Spanferkel."

Gegen eine "Verödung der Speisekarten"

Der junge Koch kommt etwas verspätet, er trägt Jeans und Ringelhemd, das weiße Dienstjackett hat er unterm Arm. Auf dem Weg nach Herrmannsdorf sei er falsch abgebogen, erzählt er. Kein Wunder, Ortsfremden mag es so vorkommen, als liege der Gutshof am Ende der Welt. Genau von hier aus wollen Hausherr Georg Schweisfurth, an diesem Abend mit schwarzer Baskenmütze und rot karierter Schürze wie der Wirt eines Bistro gekleidet, und sein Team jedoch Maßstäbe setzen - gegen die Tierquälerei der Fleischindustrie, gegen Ignoranz, miese Qualität, Wegwerf-Mentalität und die "Verödung der Speisekarten". Es müsse noch einen anderen Weg geben als Massentierhaltung auf der einen und vegane Ernährung auf der anderen Seite, sagt Schweisfurth. "Die Diskussionen um Fleisch werden zunehmend heißer", schreibt er und berichtet, dass ihm ein junger Koch auf einer Messe mal erklärt habe: Wenn man Fleisch esse, sei es auch egal, wenn man Menschen braten würde.

Kochseminar: "Wir essen Fleisch, um zu überleben", sagt der Herrmannsdorfer Metzgermeister Jürgen Körber. Aber man sollte Respekt und Ehrfurcht empfinden.

"Wir essen Fleisch, um zu überleben", sagt der Herrmannsdorfer Metzgermeister Jürgen Körber. Aber man sollte Respekt und Ehrfurcht empfinden.

(Foto: Christian Endt)

Die etwa vierzig Frauen und Männer, die zum Kurs gekommen sind, wollen erfahren, welche Fleischarten es gibt, wie man sie verarbeitet und woran man Fleisch von guter Qualität überhaupt erkennt. Die Kochschürzen liegen bereit. Eine Besucherin, die aus Taufkirchen an der Vils gekommen ist, erzählt: Meine Oma hat früher oft Innereien gekocht, das war immer sehr lecker. Wir haben aber ihre Rezepte nie mitgeschrieben. Jetzt hoffe ich, dass ich hier eine Wissenslücke schließen kann."

"Ein Fleisch von guter Qualität hat Fett"

"Wir essen Fleisch, um zu überleben", sagt der Herrmannsdorfer Metzgermeister Jürgen Körber. Aber man sollte Respekt und Ehrfurcht empfinden. "Heute wollen die Leute immer nur Filet, dabei kann man aus vielen anderen Teilen mindestens ebenso schmackhafte Gerichte zubereiten." Zur Demonstration hat er diverse Stücke ausgebreitet, Schweinehals, Keulen vom Lamm, auch ein Ochsenmaul liegen zur Ansicht bereit. Der Metzger greift in den schmaler werdenden Schlag und erläutert die Anatomie, den Verlauf der Fleischfasern, erklärt, was Nierenzapfen sind, was ein "Bürgermeisterstück" und wie man die "Nuss" herauslöst. Und ja: "Ein Fleisch von guter Qualität hat Fett." Wider Erwarten müffelt nichts, nicht einmal das blutige Teil am Haken und auch nicht die dunkelrot glänzenden Nieren.

Kochseminar: Zusammen mit Koch Simon Tress und Hausherr Georg Schweisfurth (Mitte) bereitet er in der Handwerkstatt von Herrmannsdorf den nächsten Gang vor.

Zusammen mit Koch Simon Tress und Hausherr Georg Schweisfurth (Mitte) bereitet er in der Handwerkstatt von Herrmannsdorf den nächsten Gang vor.

(Foto: Christian Endt)

Verschiedene Gerichte werden an diesem Abend zubereitet: Carpaccio vom Lammfilet und Lammrücken, Nierenzapfen und Kronfleisch, kurz gebraten, Ragout vom Schwein mit Dörrobst und Koriander und schließlich eine Süßigkeit aus Eiern, Topfen, Sahne und Ingwer, die jede Sünde wert ist. Chef de Cuisine Simon Tress verteilt die Arbeiten gleichmäßig auf seine Azubis, es wird geschnippelt im Akkord, doch streng ist er auch. Zu grob gehackter Knoblauch geht mit einer freundlichen Rüge zurück. Kleiner hacken, bitte!

Lammbratwürste - ein Gruß aus Syrien

Und dann geht es um die Wurst. Alle scharen sich um Simon Tress und Jürgen Körber. Das Lammfleisch ist vorbereitet und geschnitten, Thymian und Majoran, Sternanis, Knoblauch, Kreuzkümmel, Salz und Pfeffer, geröstet und mit dem Mörser zerkleinert, auch Olivenöl stehen bereit. In einer Schüssel mit Wasser schwimmen weißliche "Schlangen" - es sind Schafsaitlinge, in die das Brät gefüllt werden wird. Alle Zutaten werden durch einen Wolf gedreht. Jeder, der möchte, darf den rosafarbenen Teig kneten - immer und immer wieder, mit roten Wangen und leuchtenden Augen. Ein Gefühl wie Spielen im Matsch ist das. Bald duftet es nach allen Aromen des Orients. "Lammbratwürste Aleppo" heißt das Gericht. "Ein Gruß an Syrien, wo es den Menschen jetzt ziemlich schlecht geht", sagt Hausherr Georg Schweisfurth.

Dann wird der Brei verkostet. Irgendwas fehlt aber noch. Ein guter Schuss Weißwein, und dann noch einer. "Geriebene Zitronenschale" schlägt ein Teilnehmer vor. Auch Salz muss noch dran. Zwölf Gramm, wie im Rezept angegeben, sind zu wenig. "Notiert bitte: Es müssen 35 Gramm sein", ruft Schweisfurth in die Runde. Schließlich handelt es sich um zwei Kilogramm Wurst. Nach einer weiteren Kostprobe wird die Masse in die Wurstfüllmaschine gepresst, solange, bis alle Luft raus ist. Währenddessen öffnet Körber vorsichtig einen Saitling und schiebt ihn über das Ende der Tülle.

Der schwierigste Part kommt jetzt: Während einer in mäßigem Tempo die Kurbel dreht, hat der andere eine Hand an der Tülle, durch die andere lässt er den sich füllenden Darm gleiten, bis sich eine gleichmäßig dicke Schlange aus Brät gebildet hat. Am Ende werden einzelne Würstchen abgedreht, gebraten und ratzfatz aufgegessen. Während des Knetens und Kauens lässt sich in aller Ruhe die Wand der Handwerksakademie mit ihren Sinnsprüchen und Merksätzen rund um gesunde und umweltbewusste Nahrung studieren. Ein Spruch von Konfuzius eignet sich als Fazit des Abends gut: "Sage oder schreibe es mir, und ich vergesse; zeige es mir, und vielleicht erinnere ich mich; lass es uns gemeinsam tun, und ich begreife."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: