Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Ein Symbol, aber ein wichtiges

Die Ebersberger Selbstverpflichtung, den Klimanotstand auszurufen, ist zwar nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Aber dennoch ein Fingerzeig in die richtige Richtung

Von Wieland Bögel

Dass am Ebersberger Wesen die Welt genesen wird, dürfte wohl auch nach der Ausrufung des Klimanotstandes nicht passieren. Natürlich werden die Ebersberger weder den Braunkohleabbau unterbinden, noch die Vielfliegerei oder die Produktion lächerlich riesiger Fahrzeuge, die paradoxerweise das Wort Sport im Namen führen - um nur wahllos ein paar klimaschädliche Verhaltensweisen der Menschheit herauszugreifen. Dennoch spricht vieles für diese an sich symbolische Geste, denn manchmal kann auch ein Symbol wichtig sein.

Zunächst an die "große" Politik, wo man sich bei Umwelt- und Klimaschutz seit Jahrzehnten ziemlich klein macht. Vor mehr als einer Generation wurde der Klimawandel und seine Ursache - die auf der Verbrennung von Kohlenstoff basierte Industrialisierung - wissenschaftlich belegt und ein Gegenmittel gefunden: weniger Kohlenstoff freisetzen. Passiert ist das Gegenteil, weil "weiter so" einfach so bequem ist. Wirtschaft und Politik bestärken sich gegenseitig und ein geneigtes Publikum - in dem Irrglauben, Klimaschutz sei nur durch brutalen Verzicht auf Lebensqualität zu haben und führe letztlich direkt in die Steinzeit. Wenn die Kommunen als "kleine" Ebene der Politik zeigen, dass man mit den eigenen bescheidenen Mitteln den Ausstoß von Kohlendioxid reduzieren kann, ohne sich sofort in die Familie Feuerstein zu verwandeln, kann das mehr helfen als noch so viele folgenlose Absichtserklärungen aus Berlin, München oder sonstwo.

Denn vielleicht geht das Signal noch in eine andere Richtung: An diejenigen, die glauben, nur durch klimaschädliches Verhalten ihren Alltag erträglich machen zu können. All jene also, die es für ein unveräußerliches Menschenrecht halten, dass der eigene Neuwagen immer ein bisschen größer und das eigene Urlaubsziel immer noch ein bisschen weiter weg sein muss als das vom Nachbarn, man gönnt sich ja sonst nichts. Bestärkt wird eine solche Einstellung auch durch das ewige Aufschieben in der "großen" Klimapolitik, nach dem Motto: Wenn keiner was macht, wird es schon nicht so schlimm sein. Dieser politischen Prokrastination zu widersprechen, ist vielleicht zunächst nur ein Symbol, aber idealerweise eines, das zur Nachahmung anregt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4490947
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 19.06.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.