Süddeutsche Zeitung

Kirchseeoner Schulprojekt:Eine Nisthilfe vor dem Schulhaus

15 Jugendliche haben in einem Seminar am Gymnasium Kirchseeon einen neuen Lebensraum für Wildbienen geschaffen. Die Pandemie brachte das Projekt beinahe ins Wanken, nun stehen die Schüler kurz vor der Vollendung

Von Mohamad Alkhalaf, Kirchseeon

Obwohl Bienen so wichtig für den Fortbestand der Natur und ihr Gleichgewicht sind, sind sie vom Aussterben bedroht. Mit diesem Wissen hat Hubert Will, Lehrer für Biologie und Chemie, das Projekt-Seminar "Wildbienengarten" am Gymnasium Kirchseeon initiiert. Seine Schüler und Schülerinnen haben es sich nun zur Aufgabe gemacht, den Wildbienen etwas unter die Arme - besser gesagt, unter die Flügel - zu greifen. Ziel ist es, eine Nisthilfe für Wildbienen zu errichten und zu beleben.

"Mitte 2020 haben wir dafür unsere 15 Seminarteilnehmer im Alter zwischen 17 und 18 Jahren aus der zwölften Klasse in verschiedene Gruppen aufgeteilt und einen groben Zeit- und Finanzplan erstellt", sagt Schülerin Magalie Armesto. Auch wenn sie das massenhafte Sterben nicht aufhalten können, so können sie doch im Kleinen etwas Gutes tun.

Wildbienen sind eine heimische Insektenart unter tausenden. Auf den ersten Blick erscheinen Wildbienen unscheinbar, ja unwichtig. Für die meisten unbemerkt erledigen sie dennoch eine zentrale Arbeit im Kreislauf der Natur. Bienen sind diejenigen, die Blumen, Sträucher und Bäume jedes Jahr aufs Neue bestäuben. Um die 80 Prozent der Pflanzen sind auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen.

Am Kirchseeoner Gymnasium hat nun jeder Schüler eine Aufgabe. Etwa in der Baugruppe, bei der Organisation oder beim Finanzmanagement. Zunächst wurden Sponsoren gesucht - und gefunden -, um das Projekt finanzieren zu können. Anschließend begann die Hauptarbeit für die Organisatoren und Designer, um verschiedene Modelle möglicher Nisthilfen zu entwerfen. Als Standort wurde die im Bau befindliche Gartenanlage am Gymnasium Kirchseeon in einer geschützten Ecke am Waldrand als geeignet auserkoren.

Magalie Armesto berichtet vom Entstehungsprozess: "Nachdem die Recherche abgeschlossen war, fing die Baugruppe an, verschiedenste Nisthilfen aus natürlichen Materialien wie Stroh, Holz oder Steinen zu bauen." Dann kam die Pandemie dazwischen - was eine monatelange Arbeitspause zur Folge hatte. Durch die Kontaktbeschränkungen und die dadurch entstandenen Schwierigkeit beim Bauen verzögerte sich das Projekt ungeahnt. "Wir mussten die Infotafeln durch ein wetterfestes Heft aus Steckbriefen ersetzen", sagt Armesto.

Die Bauarbeiten waren nur in kleinen Gruppen im Freien und in gebührender Distanz erlaubt. Schließlich bekamen die Kirchseeoner Schüler ihr Bauwerk trotz aller Widrigkeiten fertig. Im nächsten Schritt soll die Nisthilfe mit Zweigen, Lehm, Ziegeln und Holzscheiten gefüllt werden. Diese Arbeit übernehmen die unteren Klassen und Wahlkurse. Die Hoffnung der Schüler und ihres Lehrers Hubert Will ist nun, dass sich dort im Lauf der Zeit tatsächlich Wildbienen einnisten und dann einen sicheren Brutplatz haben.

Unterstützt werden die Schüler beispielsweise durch eine Holzspende von den Bayerischen Staatsforsten oder einer Geldspende von den Herrmannsdorfer Werkstätten. "Geld haben wir benötigt, um Material wie Schrauben oder Lehm zu kaufen", sagt die Zwölftklässlerin Annabel Lang-Ennerst: "Die Bürger können den Wildbienen ebenfalls helfen." Die Empfehlung aus dem Kirchseeoner Projekt-Seminar für den bevorstehenden Frühling und den Sommer: Selbst Nisthilfen bauen, wilde Blumen im Garten nicht mähen, umweltbewusst konsumieren und handeln.

Vor 30 Jahren noch flogen allein in Deutschland rund 75 Prozent mehr Insekten durch unsere Lüfte. Schüler Andreas Genseder warnt: "Die Hälfte von 561 Wildbienenarten sind vom Aussterben bedroht". Bereits 16 Arten habe dieses Schicksal ereilt.

Die Gründe für das weltweite Artensterben der Wildbienen sind zahlreich und meist vom Menschen verursacht. Nur ein Beispiel von vielen sind die zunehmenden Monokulturen, die heimische Pflanzen dauerhaft vernichten. Pestizide stören das Nervensystem der Bienen und lassen sie orientierungs- und fortpflanzungsgestört zurück. Die Folgen des gänzlichen Aussterbens von Bienen wären auch für die Menschen gravierend, weil viele Nahrungsmittel dann nicht mehr wachsen würden.

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Quelle:
SZ vom 24.02.2021
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