Kirchseeon:Wer anderen eine Grube gräbt

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Auf dieser landwirtschaftlichen Fläche an der B 304 zwischen Zorneding und Eglharting soll in den nächsten 20 bis 30 Jahren Kies abgebaut werden. Die Grube könnte bis an die Straße heranreichen, ein Feldweg von der S-Bahn zum Geh- und Radlweg würde wegfallen. (Foto: Christian Endt)

Im Eglhartinger Westen soll die Kiesabbaufläche um 4,2 Hektar erweitert werden. Die Kirchseeoner hoffen, auf diese Weise die Bürger am Kieswerk in Buch entlasten zu können

Von Franziska Langhammer, Kirchseeon

Im Mittelalter machte Kies den Menschen noch zu schaffen: Oft war es schwer, das kleinförmige Gestein zu durchdringen und so an Trinkwasser zu gelangen. Heute hingegen ist Kies so etwas wie das neue Gold; ein begehrter Baustoff nämlich. Deshalb müssen sich die Gemeinden an der Münchner Schotterebene immer wieder damit auseinandersetzen, ob sie neue Kiesgruben erlauben wollen - auch in Kirchseeon. Am Montagabend nun beschloss der Marktgemeinderat, dass die Abbaufläche der Kiesgrube in Eglharting um 4,2 Hektar in Richtung B 304 hin erweitert werden soll. Dazu muss ein Feld- und Waldweg weichen. Dieser wird nicht wirtschaftlich, aber von Spazierenden und Gassi-Gängern rege genutzt. Der Marktgemeinderat hatte die Pläne für den Weg bereits im Sommer des vergangenen Jahres beschlossen und von Oktober bis Mitte Januar der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Da keine Einwände oder Beschwerden aus der Öffentlichkeit eingegangen sind, wird der Weg nun formell eingezogen.

Auch Spaziergänger aus Zorneding sind des Öfteren auf dem Feldweg anzutreffen. Piet Mayr (CSU), Bürgermeister der benachbarten Gemeinde, konnte der SZ am Dienstag keine Stellungnahme dazu geben, da er bisher nichts von dem Beschluss wusste; er will sich aber mit seinem Kollegen Udo Ockel (CSU), dem Kirchseeoner Bürgermeister, deswegen in Verbindung setzen.

Den Antrag auf die Erweiterung hatte die österreichische Baugesellschaft Swietelsky gestellt. Die Firma hatte bereits im Juni 2016 bei der Gemeinde angefragt, ob sie ihre Abbaufläche vergrößern könne. Mit der neu freigegebenen Fläche sind es jetzt etwa zehn Hektar, die an dieser Stelle dem Kiesabbau dienen. "Das Loch bleibt in etwa so groß, wie es jetzt ist", betont Stephan Kratzer, Bereichsleiter bei der Firma Swietelsky, "es wird keine so große Kiesgrube geben wie in Buch." Von der neu freigegebenen Fläche wolle man erst einmal etwa 1,5 Hektar Ackerland auflösen. Als eine Art "wanderndes Loch" würde die Grube, die gleichzeitig an anderer Stelle wieder verfüllt wird, somit immer dieselbe Größe behalten.

Etwa 30 000 bis 40 000 Kubikmeter Kies will man im Jahr aus der Grube holen. Auch am Lastwagen-Verkehr würde sich nichts verändern, versichert Kratzer. Der Kies, der aus der Eglhartinger Grube gewonnen wird, kommt nach Angaben Kratzers nur Projekten und Baustellen in der Region zugute. "Jeder, der bauen will - ob Kommune oder Privatmann -, hat Bedarf an Kies", sagt er. So werde der grobkörnige Sand etwa beim Straßen- und Wohnungsbau, bei Kanalarbeiten oder Baugrubenverfüllungen benötigt. Voraussichtlich die nächsten 25 bis 30 Jahre soll an der Eglhartinger Kiesgrube abgebaut werden.

Das Thema Kiesabbau in der Region hat eine durchwachsene Geschichte: Vor neun Jahren sollte in Kirchseeon einige Hundert Meter südlich hinter dem Gymnasium eine Kiesgrube entstehen. Nach massivem Widerstand aus der Bevölkerung, der Fraktionen der Grünen und der SPD im Gemeinderat sowie Verbänden wurde dieser Plan schließlich verworfen. Um künftige Diskussionen dieser Art zu vermeiden, beschloss die Gemeinde, Konzentrationsflächen auszuweisen, auf denen Kiesabbau erlaubt sein soll. Eine dieser Flächen ist die Kiesgrube in Buch im Südwesten von Kirchseeon, die mittlerweile beträchtliche Ausmaße angenommen hat.

Ursprünglich wollte die Gemeinde Kirchseeon dort jedoch weitaus weniger Fläche ausweisen. Doch durch die Vorgaben des Regionalplans, den die Regierung von Oberbayern verfügt, war sie zur Erweiterung des Abbaugebiets dort gezwungen.

Die Bucher Bürger leiden seit Jahren unter dem Lärm und dem Lkw-Verkehr, den die Ausbeutung des Gerölls mit sich bringt. Außerdem ist die Angst vor verunreinigtem Grundwasser groß. Zahlreiche Beschwerden liegen bei der Gemeinde Kirchseeon vor und müssen noch abgearbeitet werden. Aus diesem Grund hatten sich die Grünen im Gemeinderat Kirchseeon im vorigen Jahr Expertenrat eingeholt, der auch bei Bürgermeister Ockel auf offene Ohren stieß. Während man in Eglharting die Abbaufläche vergrößere, so die Idee, solle die Fläche in Buch um die entsprechende Fläche verkleinert werden. Der Antrag dazu liegt momentan noch bei der zuständigen Stelle des Regionalen Planungsverbandes München. Die Hoffnungen, dass sich ein derartiges Gegenrechnen bewerkstelligen lässt, sind jedoch gedämpft, so Natalie Katholing von den Grünen: Wahrscheinlich können die Vorgaben des Regionalplans nicht einfach so geändert werden. In der Erweiterung in der Eglhartinger Kiesgrube, sagt Katholing, sehe sie jedoch kein Problem: "Dort werden keine Bürger belastet, die Lkw müssen nicht wie in Buch durch die Ortschaft fahren, und es betrifft kein Wasserschutzgebiet. Damit kann ich leben."

© SZ vom 31.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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