Landkreis Ebersberg:Wie Kirchseeon dem Vandalismus von Jugendlichen begegnen will

Landkreis Ebersberg: Immer wieder schlagen Jugendliche in Kirchseeon bei ihren Treffen über die Stränge. Die Gemeinde will dabei nicht länger zuschauen.

Immer wieder schlagen Jugendliche in Kirchseeon bei ihren Treffen über die Stränge. Die Gemeinde will dabei nicht länger zuschauen.

(Foto: Peter Steffen/dpa)

Mit einer Sicherheitswacht und Videokameras will die Gemeinde im Landkreis Ebersberg gegen Alkoholexzesse am Marktplatz, Zerstörungswut an Kinderbetreuungen und spuckende Jugendliche vorgehen. Kritiker befürchten eine Entwicklung "in Richtung Überwachungsstaat".

Von Andreas Junkmann

Es war der bislang unschöne Höhepunkt einer ganzen Reihe an Vorfällen, die in jüngster Zeit in der Marktgemeinde Kirchseeon passiert sind: Zwei junge Mädchen, die zu der Zeit eigentlich selbst in der Schule sein sollten, treiben sich auf dem Pausenhof der Eglhartinger Grundschule herum und pöbeln andere Kinder an. Als sie von einer Lehrerin gebeten werden, das Gelände zu verlassen, beleidigen sie die Frau und spucken ihr schließlich ins Gesicht. Dann laufen sie davon.

Von diesem Zwischenfall hat nun Katharina Grulke, die Leiterin der örtlichen Awo-Kinderhorte, am Dienstagabend im Gemeinderat berichtet. Sie hat sich an das Rathaus gewandt, weil die Probleme mit Jugendlichen in Kirchseeon und Eglharting zuletzt massiv zugenommen haben. Ihre Forderung: "Es muss etwas unternommen werden!"

Was das sein könnte, darüber hat das Gremium nun beraten und den Beschluss gefasst, den Exzessen und dem Vandalismus mit einer strengen Überwachungsstrategie zu begegnen. So könnte demnächst - ähnlich wie bereits in Vaterstetten und Poing - eine Sicherheitswacht ihre Runden in der Marktgemeinde drehen. Außerdem will die Verwaltung prüfen lassen, ob man die örtlichen Schulhöfe mit Videokameras überwachen lassen kann.

Die Mitarbeiter verbringen ihre Vormittage damit, den Müll vom Vorabend wegzuräumen

Von einer "blinden Zerstörungswut" schreibt die Rathausverwaltung dazu in einer Stellungnahme, was sich auch mit den Erfahrungen von Katharina Grulke deckt. Sie arbeite seit 14 Jahren in Kirchseeon, aber so etwas habe sie bisher noch nicht erlebt. Seit Corona hätten die Zwischenfälle mit Jugendlichen massiv zugenommen. So sei etwa Anfang Mai ein Trampolin des Eglhartinger Kinderhorts angezündet worden. Außerdem gebe es fast jeden Abend größere Treffen auf den Schulhöfen und im Hortgarten, bei denen die Jugendlichen ihren Müll einfach liegen ließen, wie Grulke erzählte. "Meine Mitarbeiter sind den ganzen Vormittag damit beschäftigt, die Glasscherben aufzusammeln", sagte die Hortleiterin. Das Gelände einfach abzuriegeln, sei allerdings auch keine Option: "Wenn wir zusperren, machen sie uns nur das Schloss kaputt."

Dass Grulkes Sorgen nicht unbegründet sind, bestätigte jüngst auch der Ebersberger Polizeichef Ulrich Milius im Gespräch mit der SZ. "Das ist ein Phänomen, das schon seit mehreren Jahren zu beobachten ist", sagte er in Bezug auf den zunehmenden Vandalismus durch Jugendliche. Gerade die Gemeinden entlang der S-Bahn-Linien seien verstärkt davon betroffen.

Am Marktplatz kommt es regelmäßig zu ausufernden Alkoholexzessen

In Kirchseeon sind es aber nicht nur randalierende Heranwachsende, die im Rathaus für Kopfzerbrechen sorgen. Rund um den Marktplatz kommt es seit einiger Zeit immer wieder zu größeren Alkoholexzessen, wie CSU-Gemeinderat und Anwohner Dominik Zacher im Gremium berichtete. Fast täglich verabrede sich dort eine größere Personengruppe zum Trinken. "Die sind mittags schon so betrunken, dass sie nicht mehr reden können", so Zacher. Gerade Frauen, die dort auch tagsüber vorbeigingen, würden sich durch diese Gelage bedroht und unwohl fühlen. "Es ist unsere Aufgabe als Kommune, sowas zu unterbinden", sagte der CSU-Gemeinderat.

Genau das soll nun mit Hilfe einer Sicherheitswacht geschehen, für deren Einführung sich das Gremium mehrheitlich ausgesprochen hat. Dabei sollen Ehrenamtliche, die von der Polizei ausgebildet werden, in der Marktgemeinde patrouillieren und vor allem die Brennpunkte an den Schulen, am Marktplatz und auch am Bahnhof im Blick behalten. "Ich halte das für ein geeignetes Mittel, den Problemen, die wir haben, zu begegnen", sagte Bürgermeister Jan Paeplow (CSU), der sich auch für eine Videoüberwachung an den Schulhöfen stark machte. Eine Sicherheitsfirma, die unter anderem für das Überwachungssystem in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim zuständig ist, soll dafür nun ein Konzept erarbeiten.

Kritik kommt von der SPD: "Es wird so getan, als hätten wir ein zweites Hasenbergl"

An diesem Vorgehen gab es jedoch deutliche Kritik aus den Reihen von Grünen und SPD. "Es wird so getan, als hätten wir ein zweites Hasenbergl", sagte etwa Barbara Bittner (SPD), die eine Entwicklung "in Richtung Überwachungsstaat" befürchtete. "Ich sehe Kirchseeon jedenfalls nicht als kriminellen Brennpunkt im Landkreis", so die SPD-Gemeinderätin. Auch bei den Grünen würde man sich lieber eine bessere Betreuung der Jugendlichen wünschen, statt einer Generalverurteilung durch die umfassende Überwachung.

Dass eine solche nötig ist, daran hatte jedoch die Mehrheit im Gremium keine Zweifel. "Wir haben es hier mit Straftaten zu tun", sagte etwa CSU-Fraktionsvorsitzender Paul Hörl. Wenn man einen Täter erwische, könne das auch Signalwirkung für andere haben. Klaus Seidinger (UWG) ergänzte, dass man schließlich keine Angst vor der Überwachung haben müsse, wenn man sich nichts zuschulden kommen lasse. "Aber man kann dadurch die schwarzen Schafe besser rausfiltern." Ob das gelingt und in Kirchseeon wieder Ruhe einkehrt, müssen nun die kommenden Monate zeigen.

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